Herausfordernde Aufgabe: Pflegefamilie sein

4. November 2021
Pflegefamilien werden immer dringend gesucht. (Foto: adobe stock)

Die Chemie muss stimmen!

Pflegefamilien übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe – Und werden immer dringend gesucht! Woman in the city sprach mit Edda Lilienfein vom Pflegekinderdienst in Kiel über Pflegefamilien & die besonderen Herausforderungen.

WITC: Frau Lilienfein, was waren für Sie persönlich die größten Herausforderungen in Ihrem Job im letzten Jahr?

Edda Lilienfein: Das war der Umgang mit den Einschränkungen durch die Coronapandemie und das regelmäßige Ausbalancieren der Sicherstellung einer guten Betreuung der Pflegekinder und Pflegeeltern, wozu persönliche Kontakte unerlässlich sind, bei gleichzeitigem Gebot der Kontaktreduzierung.

WITC: Wie groß ist der Bedarf an Pflegefamilien und welche wichtige Rolle spielen diese in unserer Gesellschaft?

Edda Lilienfein: Der Bedarf ist unverändert hoch. Kinder brauchen einen stabilen familiären Rahmen, damit sie sich gut entwickeln und zu tragenden Mitgliedern unserer Gesellschaft werden können. Für Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei den leiblichen Eltern aufwachsen können, übernehmen Pflegefamilien diese Aufgabe.

Das ist eine ganz besondere und wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Deshalb benötigen wir regelmäßig neue Pflegeeltern, insbesondere für Kinder mit einem erhöhten Betreuungs- und Förderbedarf sowie für Geschwisterkinder.

WITC: Wie viele Pflegefamilien gibt es in Kiel und was ist die Motivation für die meisten?

Edda Lilienfein: Wir betreuen 110 Pflegefamilien mit einem oder mehreren Kindern in Kiel und noch einmal so viele Pflegefamilien in ganz Schleswig-Holstein. Die Motive, ein Pflegekind aufzunehmen, sind unterschiedlich:

Kinderlose Paar erfüllen so ihren Wunsch nach Familienleben. Bestehende Familien verwirklichen mit der Aufnahme von Pflegekindern ihren Wunsch nach einer größeren Familie. Manche Pflegeeltern möchten durch ihr Engagement einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.

WITC: Können Sie uns kurz erläutern, wie sich die Familien als Pflegefamilie qualifizieren? Und wie werden die Pflegefamilien wiederum „kontrolliert“?

Edda Lilienfein: Pflegeeltern müssen Freude am Zusammenleben mit Kindern und Jugendlichen mitbringen, sie benötigen Geduld, Einfühlungsvermögen und Belastbarkeit. Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse müssen gesichert sein, und sie benötigen ausreichenden Wohnraum, müssen gesund sein und dürfen keine einschlägigen Vorstrafen aufweisen. Pflegeeltern müssen der Lebenswelt des Kindes gegenüber aufgeschlossen sein und bereit sein, mit dem Pflegekinderdienst und den leiblichen Eltern zusammenzuarbeiten.

Wir lernen potenzielle Pflegeeltern in mehreren Gesprächen und in ihrem Zuhause kennen und filtern mit ihnen gemeinsam heraus, welches Kinderprofil zu ihnen passt. Nach der Vermittlung eines Kindes sind wir mit den Pflegeeltern im regelmäßigen vertrauensvollen Austausch, besuchen sie zu Hause, sprechen mit den Kindern, beraten und unterstützen bei Problemen, sodass wir Belastungen beziehungsweise Überforderungen mitbekommen.

WITC: Wie persönlich sind Sie in die Vermittlung involviert und worüber freuen Sie sich besonders?

Edda Lilienfein: Jede neue Vermittlung wird im Team und mit mir als Sachbereichsleiterin besprochen und abgewogen. Mir ist es ein großes Anliegen, dass Pflegekinder und Pflegeeltern glücklich miteinander werden, wofür wir eine gute Passung zwischen Pflegeeltern und Kindern finden müssen, bei der auch „die Chemie“ stimmen muss.

Und dann freue ich mich immer ganz besonders, wenn die Kinder nach einer gewissen Zeit in der Pflegefamilie aufblühen und sich stabilisieren. Das ist toll!

WITC: Kinder aus der Ursprungsfamilie zu nehmen ist ein –schwerer Schritt. Wie kommen Sie und ihre Kollegen mit dieser Situation immer wieder zurecht?

Die Entscheidung einer Herausnahme wird nicht von uns, sondern vom Allgemeinen Sozialdienst oder auch vom Familiengericht getroffen. Unsere Aufgabe ist es, die Trauer und Verunsicherung der Eltern und Kinder einfühlsam und sensibel zu begleiten.

WITC: In Zeiten der Pandemie – vor welchen Herausforderungen stehen die Pflegefamilien?

Prinzipiell stehen Pflegeeltern vor den gleichen Herausforderungen wie alle Eltern. Bei Pflegekindern mit Entwicklungsverzögerungen oder erhöhten pädagogischen Bedarfen sind die besonders relevanten Unterstützungsleistungen und Förderprogramme leider nicht durchgehend gewährleistet. Darüber hinaus können Angebote zum Austausch der Pflegefamilien untereinander sowie unsere regelmäßigen Fortbildungsangebote für Pflegefamilien auch leider nur eingeschränkt stattfinden.

WITC: Zum Pflegekinderdienst gehört ebenfalls die Adoptionsvermittlung – ist das etwas, was oft ineinander übergeht oder sind dies zwei getrennte Bereiche?

Edda Lilienfein: Die Adoptionsvermittlung ist ein gesonderter Bereich. Anders als bei der Aufnahme eines Pflegekindes erhalten die Adoptiveltern bei der Adoption eines Kindes die rechtliche Stellung von leiblichen Eltern – sie übernehmen dauerhaft alle Rechte und Pflichten für das adoptierte Kind. Sie sind sorgeberechtigt und kommen für den Unterhalt des Kindes selbst auf. Für eine Adoption ist die ausdrückliche Einwilligung der leiblichen Eltern erforderlich.

Gelegentlich kommt es vor, dass Kinder von ihren Pflegeeltern adoptiert werden.

Kontakt:

Jugendamt/ Pflegekinderdienst, Speckenbeker Weg 53b-d, 24113 Kiel
Ansprechpartnerin: Edda Lilienfein, Tel. 0431-901-3640
E-Mail:pflegekinderdienst@kiel.de

www.kiel.de/pflegekinderdienst

Steckbrief EDDA LILIENFEIN

• //BERUF: Sachbereichsleiterin des Pflegekinderdienstes und der Adoptionsvermittlung beim Jugendamt der Landeshauptstadt Kiel. •//LEBENSMOTTO: Ein respektvolles und wohlwollendes Miteinander. •//FAMILIE: Mein Mann und ich haben als Patchworkfamilie zusammen fünf tolle erwachsene Kinder und vier wunderbare Enkelkinder. •//LIEBLINGSPLATZ: Im Garten oder am Meer – egal ob Nord- oder Ostsee. •//MEIN GRÖSSTER WUNSCH: Immer eine ausreichende Auswahl an Pflegeeltern zu haben, damit wir die Kinder in ein liebevolles Zuhause vermitteln können.

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