Mehr Rampenlicht für Gründerinnen: WEstartupSH setzt sich für ein wohlgesonnenes und vernetzendes Gründungsökosystem ein

,,Wir sollten das volle Potenzial von Gründungen durch Frauen wertschätzen."
Weststartupsh ist das Ergebnis jahrelanger und vorbereitender Tätigkeit in Forschung und Praxis auf den Gebieten Women‘s Entrepreneurship und Women Empowerment. Ins Leben gerufen wurde WEstartupSH im Jahr 2017 unter anderem von Kirsten Mikkelsen. Woman in the city hat mir ihr über Gründungs-Herausforderungen und das nötige Umfeld für Frauen gesprochen.
Name Dr. Kirsten Mikkelsen
Beruf/Berufung Optimist by Heart, Director Entrepreneurship, Gender & Education; Jackstädt-Zentrum Flensburg der EUF
Wohnort Flensburg Alter 47
Lebensmotto Ich finde es wunderbar miterleben zu können, wie Menschen ihre Flügel ausbreiten und beginnen, zu fliegen. Rise by lifting others.
Lieblingsorte Am liebsten auf dem Rad die Küsten entdecken.
WITC: Du forschst über weibliches Unternehmertum und unterstützt und begleitest unter anderem mit WESTARTUP.SH Frauen als Gründerinnen. Haben sich in den letzten 20 Jahren die Bedingungen für Frauen, die eine Firma gründen wollen, in Schleswig-Holstein verbessert?
Dr. Kirsten Mikkelsen: Die Frage nach einer Verbesserung der Bedingungen kann nicht so leicht beantwortet werden, denn dafür müssen wir darüber sprechen, was die „Bedingungen“ eigentlich sind. Was sich auf jeden Fall verbessert hat, ist die allgemeine Aufmerksamkeit für Gründerinnen. Auch das WEstartupSH hat einen Beitrag für die Erhöhung der Sichtbarkeit von unternehmerisch selbständigen Frauen geleistet und bringt nach wie vor Gründerinnen und erfahrene Unternehmerinnen in einem Netzwerk zusammen. Dabei geht es um Sichtbarkeit, Vernetzung und Mentoring, also dem Lernen von- und miteinander. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt nach wie vor in der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung für Gründungsprojekte von Frauen, was unmittelbar auch mit einem tatsächlichen Problembewusstsein seitens des (immer noch stark männlich dominierten) Ökosystems einhergeht. Solange die Herausforderungen weiter kleingeredet und auf die Schultern der Frauen geladen werden, bleibt das Thema ein „Nischenthema“ – es geht schließlich nur die Frauen an.
Warum ist es denn für unsere Gesellschaft von Wert, dass gerade Frauen mehr in die unternehmerische Selbstständigkeit gehen?
Wie gerade gesagt, geht es darum, das volle Potenzial von Gründungen – auch Existenzgründungen – durch Frauen wertzuschätzen. Während der aktuelle Startup-Monitor, bei dem explizit Kernkriterien wie Innovativität und Skalierbarkeit im Zentrum stehen, zeigt, dass der Anteil von Frauen an Gründungen um knapp 2 Prozent gesunken ist, liegt der Anteil an Existenzgründungen durch Frauen mit 44 Prozent fast auf Rekordhoch. Diese Gründerinnen stehen jedoch selten im Fokus von politischem und wirtschaftlichem Interesse. Und zwar weil sie oft kleiner gründen und langsamer wachsen – oft jedoch profitabler und nachhaltiger in ihrer Gründung sind. Dieses wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial sogenannter „Alltagsentrepreneure“ sollte mehr geschätzt und unterstützt werden. Schließlich machen Frauen mindesten 50 % der Bevölkerung aus und haben somit ein großes Potenzial zur gesellschaftlichen Transformation.
Ist das Umfeld von Frauen oder eine bestimmte Eigenschaft entscheidend für den Schritt in die Selbstständigkeit?
Es ist eine Mischung vieler Faktoren. Schon vor mehr als 20 Jahren haben Forschungsergebnisse gezeigt, dass sich Frauen und Männer in Gründung mit Blick auf ihre Eigenschaften eher ähneln als unterscheiden. Heute beobachten wir einen starken Fokus auf Sinnhaftigkeit unter Gründerinnen. Da wir als Personen in unser soziales Gefüge eingebettet sind, liegen die Gründe vielmehr im Umfeld. Wie werden Frauen mit all ihren Kompetenzen wahrgenommen, was wird ihnen zugetraut. Hier liegt der Änderungsbedarf. Nicht auf Seite der Frauen. Das haben Programme in der Vergangenheit stetig suggeriert. „Wir müssen Frauen nur richtig qualifizieren, dann klappt das schon“. Mehr als 30 Jahre Gründungsunterstützungsprogramme für Frauen und ein konstantes Niveau lassen doch stark vermuten, dass wir nun endlich mal an anderer Stelle ansetzen sollten, als Frauen weiter in die Defizitperspektive zu drängen und zu zwingen ihre Kompetenz erst einmal unter Beweis stellen zu müssen. Gleichzeitig bin ich froh, dass die nachfolgende Generation gerade auch Gas gibt und wir somit frische Energie aufnehmen können, Startup und Gründung neu zu denken.
Deine Arbeit umfasst auch den ersten Schritt: Du willst Frauen überhaupt sensibilisieren für eine Firmengründung: Warum?
Unsere Maßnahmen haben unterschiedliche Altersgruppen zum Ziel. Besonders wichtig ist nach wie vor das Thema der frühen Sensibilisierung im Rahmen der Entrepreneurship Education. Das unterstreicht auch wieder der aktuelle KfW-Gründungsmonitor. Wo keine Vorbilder zu Hause sind, ist es Aufgabe der Schulen und Hochschulen, junge Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten und vor allen Dingen dem passenden Mindset auszustatten.
Ist die Vereinbarung von Selbstständigkeit und Familie bei Frauen ein großes Thema – gerade im Unterschied zu Männern?
Unbedingt – und das ist sehr schade, denn es zeigt, dass wir nach wie vor sehr traditionelle Rollenverteilungen haben. Gerade dann, wenn Kinder oder Pflege im Spiel sind. Dass die Vereinbarkeitsfrage immer noch an die Frauen gekoppelt ist, finde ich bedenklich und vor allen Dingen nicht zielführend. Hier muss dringend nachgebessert werden und das Verständnis erhöht werden, dass auch Männer Sorgearbeit übernehmen können. Letztlich sagte mir ein Vortragender, dass wir einfach unterschiedlich seien, Frauen körperlich nicht so stark seien, um zum Beispiel in manche Handwerksberufe zu kommen. Das ist doch spannend, wenn man bedenkt, dass sie in der Pflege aber sehr wohl Menschen heben und bewegen können. Da spielt das Thema dann anscheinend keine Rolle.
Gibt es einen wesentlichen Unterschied, ob Frauen ein Café eröffnen oder aus der wissenschaftlichen Forschung heraus gründen?
Das wichtigste für beide Formen der Gründung ist ein wohlgesonnenes und vernetzendes Gründungsökosystem. Egal bei welcher Gründung. Ich muss meine Zielgruppe mit ihren Bedürfnissen ins Zentrum rücken. Nur, wenn ich weiß welchen Mehrwert ich mit meiner Gründung biete, kann ich diesen auch verkaufen. Forschenden (Männern wie Frauen) fehlt manchmal gerade die Verbindung zu Marktpotenzialen. Aber hier unterstützen dann die hochschuleigenen Gründungszentren. In SH haben wir mit dem StartupSH Netzwerk eine vorbildliche Kooperation. In Flensburg mit der VentureWaerft sogar grenzübergreifend.
Wie gehe ich vor, wenn ich mich selbstständig machen will?
Das wichtigste gerade am Anfang ist, sich auszutauschen und schnelles (professionelles) Feedback zur Idee zu bekommen. Denn eine Idee allein reicht noch nicht. Was ist der Bedarf, welches Problem löse ich und wie groß ist der Markt hierfür eigentlich. Niederschwellige und kostenfreie Angebote gibt es an vielen Stellen. Testen, Feedback, Anpassen. Die initiale Idee ist selten Kern des späteren Business.
Welche drei Gründungsfrauen aus Schleswig-Holstein haben dich persönlich in den letzten Jahren besonders überzeugt?
Ich habe vor jeder Frau großen Respekt, die sich für den eigenen Weg entscheidet. Da fällt es mir nicht leicht, einzelne besonders hervorzuheben. Ich lade alle Leser*innen ein, WEstartupSH auch auf Instagram zu besuchen. Dort findet ihr eine (sicher noch nicht fertige) Reihe Gründerinnen und Unternehmerinnen. Alle einzigartig und faszinierend, die in Sachen Zielstrebigkeit, Kompetenz, Mut und Veränderungswille Wegbereiterinnen für die jüngere Generation sind.
Wie wichtig sind Mentorinnen bei der Gründung?
Mentorinnen sind in jeder Phase der Selbständigkeit wichtig. Gerade Mentorinnen können sich in die Lebenswelt von Gründerinnen besser eindenken und -fühlen und aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz berichten. Wir legen bei WEmentor großen Wert auf Gegenseitigkeit.
In die Selbstständigkeit zu gehen, bedeutet auch immer ein Risiko zu tragen. Wie beurteilst du in diesem Zusammenhang Insolvenzen?
Wir leben leider immer noch in einer Gesellschaft, in der Fehler und Scheitern wenig akzeptiert sind. Dass muss sich ändern, wenn wir Innovation und Entwicklung fördern wollen. Das Prinzip Try and Error, wie Kinder es tagtäglich erleben, wird spätestens in der Schule durch die Angst vor Fehlern abgelöst. Ich erinnere mich immer gerne an meine Grundschullehrerin, die uns folgenden Satz mitgab: „Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug.“ Wir sollten nur vermeiden, denselben Fehler zu oft zu machen.
Mit so vielen Ideen um dich herum – warst du selber auch schon mal selbstständig?
Na klar; ich war auch schon selbständig. Was meinen Weg gekennzeichnet hat, ist, dass ich der jeweiligen Lebenssituation angepasst meinen Weg gegangen bin, Chancen genutzt und auch selbst erarbeitet habe. Freiberuflich bin ich nach wie vor dann aktiv, wenn es die Arbeit an der Uni zulässt. Als systemische Coachin im Bereich Holistic Change und Business Development.
Vielleicht ein letztes Statement: Warum brauchen wir Gründerinnen in SH?
Ich wiederhole gerne meinen Satz vom Anfang. Mir geht es weniger um die Frage, ob wir es brauchen, sondern vielmehr darum, Frauen die gleichen Chancen zur unternehmerischen Selbständigkeit zu eröffnen, wie Männern. Denn es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wir können für eine lebenswerte Zukunft nicht auf die gestalterische Kraft der Hälfte der Bevölkerung verzichten.
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