„Ich habe die tiefe Überzeugung, dass wir mit Leichtigkeit erfolgreicher sind, wenn wir echt sein dürfen.“

21. April 2025
Imke Täufer-Krebs
Imke Täufer-Krebs

Passt mein Job zu mir?

Imke Täufer-Krebs ist Psychologin und arbeitet bei der GMSH (Gebäudemanagement SH). Hier leitet sie die Bereiche Personal- und Organisationsentwicklung als auch das neue Kompetenzteam Neues Arbeiten, in dem es um die Etablierung neuer Arbeitskulturen geht. Außerdem arbeitet sie als Coach in verschiedenen Bereichen. Wir haben mit ihr über die Bedeutung von Arbeit und ihre persönlichen Herausforderungen gesprochen.

WITC: Du bist Psychologin und arbeitest seit vielen Jahren im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung. Was kann und sollte Arbeit für uns bedeuten?  

Imke Täufer-Krebs: Idealerweise gibt Arbeit uns die Möglichkeit, zu gestalten, sich einzubringen, seine Persönlichkeit zu entfalten, zu wachsen und kreativ zu sein. Wenn Arbeit einen sinnvollen Teil des Lebens bildet, sind wir von selbst erfolgreich. Schon während des Studiums entdeckte ich die Wirkräume für Psychologie und Systemtheorie in Organisationen und der Arbeitswelt und entschied mich zur Weiterentwicklung derer beizutragen.

Arbeit als sinnvollen und wesentlichen Teil unseres Lebens zu verstehen – ist das eine individuelle Einstellungssache? Gibt es Unterschiede bei der Einstellung zur Arbeit bei den Generationen?

Ich glaube, es sind eher Zeitphänomene. Die Forschung findet oft innerhalb einer Generation mehr Unterschiede als zwischen den Generationen. Was hilft uns auch eine Antwort darauf? Besteht hier nicht die Gefahr, dass eine Zuschreibung zu mehr Trennung als zu Verbindung führt? Aber Menschen möchten nicht getrennt, sondern verbunden sein. Warum fällt es uns so schwer, Unterschiede als bereichernd zu erleben?Und ja, ich kann selbst entscheiden, welche Haltung ich einnehme, aber die allein reicht natürlich nicht. Wichtig ist loszulegen und den Job selbst so zu gestalten, dass er besser zu einem selbst passt.

Wie hast du persönlich das Zusammenspiel zwischen Familie, familiären Herausforderungen und Entfaltung durch Arbeit in deinem Leben erlebt?

Genau, „vereinbar“ ist es schlicht nicht. Vielleicht passt das Wort Balance besser. Ich komme von der Insel Rügen und bin damit aus einer Gesellschaft, in der es üblich war, dass beide Eltern arbeiten. So habe auch ich als Mutter früh wieder angefangen zu arbeiten und immer Wege gefunden. Wir hatten z.B. fünf Aupairs aus verschiedenen Ländern von Usbekistan bis Argentinien. Die Jungs haben früh erlernt, wie man sich auch ohne Sprache versteht. Wir hatten weder Witwen- noch Waisenrente, somit musste ich Geld verdienen für unsere kleine Familie und konnte das zum Glück mit einer Stelle in der Bildungsforschung – für mich also gleichzeitig eine Gelegenheit zur Entfaltung und sinnhaftes Erleben. Unsere Familienzeit ist bis heute Qualitytime und das relativiert wiederum Jobstress.

Wie verschieden erleben Frauen und Männer ihre Arbeitswelten und Arbeitsplatz-Entwicklungen?

Schon allein aufgrund wirtschaftlicher, biologischer und sozialer Bedingungen erleben sie es diese unterschiedlich. Während Frauen nach wie vor mehr Care-Arbeit leisten und der Mental Load durch Familienmanagement höher ist, haben Männer häufig den Druck, ihre Karriere voranzutreiben und ihre Position zu festigen. So passen sich viele Frauen in ihren beruflichen Entscheidungen und Karrieremöglichkeiten an. Die zunehmende Flexibilisierung unterstützt sie besonders. Männer können sich nach wie vor mehr auf ihre beruflichen Leistungen und ihren Aufstieg konzentrieren und trauen sich häufig mehr zu. Und weil man mehr an Aufgaben wächst als an organisierten Fortbildungen, sind sie schneller in höheren Positionen.

Wie können sich Menschen in Organisationen entwickeln und entfalten? Müssen sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren? Wann macht Arbeit wirklich glücklich?

Ich gehe von der Grundannahme aus, dass jeder Mensch wachsen und sich entfalten möchte. Sicher in Rhythmen, also es gibt Phasen von Entfaltung und Phasen von Ruhe und Konsolidierung. Und wir alle unterscheiden uns darin, was uns wie stark antreibt. Nur hat sich die Arbeitswelt mit ihrer Standardisierung weit weg bewegt davon, das individuelle Potential der Menschen zu erkennen und passt schon recht lange nicht mehr zum eigentlichen Leben. New Work ist ein Buzzword geworden, plötzlich ist es alles, was bunt ist oder nur ein bisschen nach Café aussieht, wenn ein paar Post its an den Wänden kleben und man sich im lässigen Hoody lächelnd „Hey du“ zuruft. Das wirkt erstmal leicht, aber wenn wir weiterhin einen Teil unserer Persönlichkeit an der Eingangstür abgeben, hat sich nichts verändert. Ich mag echte Transformation a la Frithjof Bergmann, der das Wort erstmals schon in den 70ern geprägt hat. Im Zuge der Automatisierung der Automobilindustrie waren Arbeitskräfte übrig. Anstatt die Hälfte zu entlassen, haben alle halb so viel gearbeitet und sich in der restlichen Zeit damit beschäftigt, was sie wirklich, wirklich machen möchten und wie man damit Geld verdienen bzw. es ins Unternehmen einbringen kann. Das macht glücklich, wenn ich möglichst oft Aufgaben habe, die zu mir passen und die Menschen um mich herum das auch anerkennen. Wenn wir Gemeinschaften haben, in denen wir wir selbst sein können, sind wir sogar nicht nur glücklich, sondern auch erfolgreich.

Du arbeitest unter anderem auch im Coaching zum Beispiel für Uni Kiel und coacht Professoren und Professorinnen bei ihren Entwicklungsprozessen in der Lehre. Was ist die große Herausforderung hier?

Schon vor 15 Jahren hat die Kieler Uni als eine der ersten Coaching als Entwicklungsinstrument eingeführt, zunächst nur für Profs und vor dem Hintergrund die Lehre zu stärken. Der damalige Präsident hat diesen Ansatz sehr befürwortet und so hatten wir eine tolle Resonanz. Auch wenn es vordergründig nicht zuerst um Lehre ging, haben wir das Vertrauen, dass sich alles Gelernte auch immer in der Lehre zeigen wird. Inzwischen ist der Rahmen offener und ich habe oft Leadership-Themen. Wie fast überall kommt man doch besonderes gute fachliche Leistungen in eine Führungsrolle. Doch in dieser geht es leider nicht mehr so um Fachlichkeit und Führung haben viel zuvor nur durch Geführtwerden erlebt, aber es nicht selbst erlernt. Mir ist wichtig, dass sich jeder einzelne Menschen seine Persönlichkeit reflektiert und selbst gestärkt wird. Je besser ich mich selbst kenne, erkenne ich mein Gegenüber. Das macht Coaching so nachhaltig in seiner Wirksamkeit auch für Führungsaufgaben.

Was bedeutet es, wenn ich mich sicher in meinem Team und bei der Arbeit fühle?

Diese Frage kann man sich gut einmal selbst stellen. Es gibt eine Studie zu High Performance von Google. Hier kam man zu dem Schluss, dass es gar nicht einzelne stark leistende Menschen sind, sondern dass es auf die Interaktion ankommt. Wenn das Team einen Raum bildet, der psychologisch sicher ist, in dem sich jede und jeder unvollkommen und unperfekt zeigen kann, hat das viel Vorteile. Man fühlt sich gesehen, weil man sich ja auch zeigt. Man lernt, auch gemeinsam, weil man Feedback bekommt und sich gegenseitig inspiriert. Das Wissen, das Vertrauen und auch die Verantwortung wachsen. Uns Menschen macht so viel mehr aus als das, was wir normalerweise von uns zeigen bei der Arbeit. Ich habe die tiefe Überzeugung, dass wir mit Leichtigkeit erfolgreicher sind, wenn wir echt sein dürfen.

Bei der GMSH (Gebäudemanagement SH), bei der du angestellt bist, leitest du sowohl den Bereich Personal- und Organisationsentwicklung als auch das neue Kompetenzteam Neues Arbeiten, mit dem ihr öffentliche Dienststellen beratet und bei Kulturwandel begleitet. Um welchen Kulturwandel geht es?

Die GMSH ist in Kiel bereits 2021 in ein Gebäude gezogen, das etwa ein Zehntel weniger Fläche hatte als das zuvor. Bereits in den Jahren zuvor haben wir uns in den Diskurs begeben, wie wir uns als Unternehmen weiterentwickeln. Eine der Leitlinien war, dass wir für jede Art von Arbeit den idealen Platz bereithalten wollten. Wir räumen also auf mit dem Narrativ: Ich setze mich morgens an meinen Schreibtisch und sitze da bis zum Feierabend. Denn so ist die Arbeit ja auch im öffentlichen Dienst zumeist nicht, sondern es gibt verschiedensten Besprechungen und Projekte, hybrides Arbeiten etc.. Somit brauchen wir auch weniger Arbeitsplätze und mehr Fläche für interdisziplinäre Kommunikation. Wir haben ca. ein Drittel weniger Arbeitsplätze als Beschäftigte, dafür aber Kommunikationsflächen, die modern und zukunftsfähig flexibel eingerichtet sind. Aktuell ist die Arbeit im Homeoffice nicht begrenzt, aber viele kommen gerne ins Haus. So starten wir jetzt auch in den anderen Dienststellen mit einer Kulturanalyse und begleiten diese dann bei der Entwicklung der passenden neuen Arbeitswelten. Durch diesen Mitgestaltungsraum fühlen sich die Menschen empowert und die entwickelten Lösungen werden angenommen und sind nachhaltig.

Du warst viele Jahre durch einen Schicksalsschlag alleinerziehende Mutter von drei Söhnen – wo hast die Kraft und Zeit hergenommen, dich auch im Job immer weiter zu entwickeln?

Ich würde sagen, dass mich der Job, der sich sinnvoll anfühlte, mit durch die erste Zeit getragen hat. Wir haben Lehrende dabei begleitet, ihren Unterricht selbst weiterzuentwickeln und ich habe die Akzeptanz dieses Begleitprogramms beforscht. Das war nur möglich, weil meine Eltern und ein starkes soziales Netz uns gehalten haben. Ich lernte, schnelle Entscheidungen zu treffen und Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Und glücklicherweise habe ich eine robuste Natur. Die Jungs waren alle im Naturkindergarten, was auch ihre Wurzeln gekräftigt hat.

Du bist in der DDR großgeworden und hast Segeln als Leistungssport betrieben. Heute begleitest du unter anderem als Coachin auch das Segelcamp „Führen und geführt werden“. Was genau passiert da?

Für diese Aufgabe bin ich richtig dankbar, weil sich dabei zwei meiner Lieblingsthemen verbinden, Segeln & Coaching. Jeden Herbst lädt die CAU ihre neuen Professor*innen für 2 Tage in das eigene Segelzentrum in Schilksee ein. Segeln ist ein komplexer Sport – und er bietet viele Gelegenheiten zur Persönlichkeitsentwicklung. Und wir kombinieren die Segelerfahrungen mit dem Thema Leadership. Das an Board Erlebte lässt sich direkt in den akademischen Alltag übertragen. Ein toller Effekt ist auch, dass die meistens gerade erst nach Kiel umgezogenen Teilnehmenden den hohen Lebenswert hier im Norden spüren. Auf dem Boot ist man sofort per Du und aufeinander angewiesen. Natürlich scheint auch nicht immer die Sonne und es gab leider auch schon mal Seekrankheit an Board – aber so ist es im Job einer Professorin auch, Sonne und Sturm wechseln und es gilt, die Crew so zu empowern, dass der nächste Hafen sicher erreicht wird.

Was bedeutet heute Sport für dich? Du liebst es, Gravelbike zu fahren und auch in der Gruppe als eine Art Zündfunke für Gemeinschaften zu agieren?

Bewegung an frischer Luft tut doch einfach gut. Dabei fühle ich mich frei und lebendig. Tatsächlich bin ich auch etwas kompetitiv und lasse mich anspornen, wenn jemand vor mir fährt. Ich fahre jeden Tag 16 km mit dem Rad zur Arbeit und es fehlt mir, wenn das mal nicht möglich war. Die Gedanken dürfen wandeln und wenn ich zu Hause ankomme, habe ich den Arbeitstag wirklich abgeschlossen und ganz präsent bei meiner Familie.
Im letzten Jahr habe ich an einer wunderbaren Graveltour mit 25 Frauen aus aller Welt in Italien teilgenommen. Die Intention war, gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen und neue Wege zu erkunden anstatt Wettkampf, also women empower women. Nach sechs Tagen bin ich mental gut genährt, mit vielen neuen Freundinnen lächelnd in den Zug zurück gestiegen und habe seitdem den festen Vorsatz, hier im Norden eine feminine Rad-Community aufzubauen. In einer Welt, die so voll von spaltender Kommunikation ist, soll das ein Raum für Verbindung und gemeinsames innerliches Erstarken werden. First follower klicken schon einmal auf @nordicfemalecircle.

Was bedeutet heute Dankbarkeit für dich?

Oh, das ist ein weites Feld. Als ich verwitwet war, hatten ich mit meinen ersten drei Söhnen ein abendliches Ritual, das uns durch so manches Tal gezogen hat: Wir erzählten uns unsere Tiefs und Hochs des Tages – oft gab es nur Hochs. Das hat unsere Dankbarkeitsmuskel trainiert und wir haben wieder Mut gefasst, weil uns das Leben jeden Tag so viele wunderbare Momente schenkt.

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