Was wird denn nun aus Weihnachten?

Weihnachten ist wichtig!
Noch ein paar Wochen Lockdown, dann ist Weihnachten. Dieses Jahr ist nicht alles, aber vieles anders. In den Geschäften stapeln sich die Adventskalender, aber Weihnachtsmärkte sind abgesagt. In den Schulen schlottern die Kinder beim Stoßlüften, morgens im Radio läuft die Zahl der Neuinfektionen, manche kennen schon Krankheitsfälle in der eigenen Familie. Es ist ernst. Das Coronavirus macht keine Weihnachtspause.
Weihnachten, das ohnehin überfrachtete Fest, ist zum Politikum geworden, schon seit Sommer wird darüber diskutiert. Der November erinnert an die Knecht-Ruprecht-Schule: Wenn dann alle brav sind und sich an die Corona-Regeln halten, können wir zusammen feiern und müssen nicht über Skype «O Tannenbaum» singen. Nun gilt die Ansage aus der Politik: Die Zahlen steigen immer noch, wir müssen weiter durchhalten, dürfen aber feiern. Es wird nicht Weihnachten mit Helene Fischer, sondern Weihnachten mit Karl Lauterbach.
Freiwillige Quarantäne vor dem Fest
Wird der Teil-Lockdown verlängert, wird man noch weniger Menschen treffen dürfen, über die Feiertage wird es aber Ausnahmen geben. Geht es nach den Ländern, können bis zu zehn Leute unterm Weihnachtsbaum sitzen, die Zahl der Haushalte ist nicht festgelegt. Vorher sollte man sich in freiwillige Quarantäne begeben, um die Ansteckungsgefahr zu verkleinern. Auch eine Verlängerung der Weihnachtsferien ist im Gespräch.
Die Diskussion trifft nicht alle Religionen und Lebensmodelle, die es in Deutschland gibt. Dem Lager der Weihnachtsmuffel ist es nur recht, wenn dieses Jahr noch weniger Lametta ist. Corona kann eine Ausrede sein, wenn Familienbesuche eine Pflicht oder Qual sind. Und natürlich gibt es viele Singles und Paare, die Weihnachten am liebsten ohne Würstchen und Kartoffelsalat oder Kirchgang verbringen.
Es ist ein Thema für Traditionalisten mit viel Reizfaktor. Es rumorte in der CDU und unter den Vorsitzkandidaten. Friedrich Merz sagte dem «Tagesspiegel», das Fest in der Familie sollte nicht in Frage gestellt werden. «Es geht den Staat auch nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.»
Was uns Weihnachten bedeutet
NRW-Regierungschef Armin Laschet setzte sich mit einem Vergleich in der «Welt am Sonntag» in die Nesseln. Es stehe «das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben» bevor. Am Montagabend relativierte er das im ZDF: «Natürlich ist es auf Lesbos schlimmer und natürlich ist es in Afrika in Elendsvierteln schlimmer. Das ist ja alles wahr. Aber die Botschaft ist: Dieses Weihnachten wird anders sein als alle Weihnachten, wie wir sie kennen. Es wird Verzicht bedeuten.»
Ist denn Weihnachten in Deutschland wirklich noch so wichtig? Aber ja. Das sagt die Berliner Familienberaterin Dörte van Benthem Favre. «Es ist unglaublich wichtig.» Sie verweist auf die «Völkerreisen» um Heiligabend und auf Berlin, das über die Feiertage wie leer gefegt ist.
Familientreffen über Skype?
In der Praxis ist sie gerade damit beschäftigt, die Leute vorm Fest ins Hier und Jetzt zu holen. Sie rät: Nicht murren, sondern neue kreative Wege suchen, die Krise als Chance sehen. «Wir müssen zählen und planen und raus dem Autopiloten.» Sie kennt das Gezerre in den vielen Patchwork-Familien und empfiehlt: Nicht alles soll sich um den 24. Dezember drehen. «Liebe verschenken, Kekse essen, das geht auch an anderen Tagen.» Deutschland habe auch noch nicht genug digitale Routine, zum Beispiel beim Familientreffen über Skype.
Der Freiburger Soziologe Sacha Szabo hat sich mit Weihnachten in einem Sammelband befasst. Er beschreibt das aktuelle Dilemma, vor dem viele Familien stehen, so: Einerseits ist es der Wunsch nach Geborgenheit und andererseits die Sorge um den Nächsten und um sich. Reden kann da helfen. «Offen miteinander umzugehen, ist dabei in Familien so schon schwer und wird jetzt auch nicht einfacher, aber vielleicht ist es ein angemessener Anlass, sich ein wenig zu öffnen und dem im Ritual erstarrten Umgang miteinander eine neue Qualität zu geben.»
Bei einsamen Menschen wächst der Leidensdruck
Bei der Senioren-Hotline des Vereins Silbernetz häufen sich gerade die Anrufe von einsamen Menschen. Der Leidensdruck steige, sagt die Leiterin Celeste Copes. «Wir merken, dass das Thema Weihnachten alle beschäftigt.» Für einsame Menschen sei es auch schwierig, dass die öffentlichen Weihnachtsveranstaltungen für sie abgesagt sind. Alle müssten durchhalten. Copes vergleicht die Situation mit einem Marathon. «Wir hoffen natürlich, dass es die Möglichkeit gibt, ein bisschen Nähe zu spüren», sagt sie über Weihnachten. Die Gesundheit gehe aber vor.
Fernsehpromi und Dreifach-Mutter Natascha Ochsenknecht hat zu dem Thema einiges zu erzählen. Die 56-Jährige plagt sich gerade mit einer Corona-Infektion, berichtet von üblem Husten, schlimmen Gliederschmerzen und einer Lunge, die schmerzt, als stecke ein Feuerball darin. Sie wartet noch darauf, dass der Geruchs- und Geschmackssinn wiederkommt, jammern will sie darüber nicht. Es gebe immer Schlimmeres. Sie findet in der Corona-Debatte auch: Wer noch nicht mal im Internet einen gesitteten Kommentar schreiben kann, sollte nicht über Politiker motzen, die in der Pandemie Entscheidungen treffen müssen.
Was Heiligabend angeht, gehört die Schauspieler-Familie Ochsenknecht zu den Traditionalisten, serviert wird Gans und Rotkohl. «Ich denke das ganze Jahr über an Weihnachten, weil ich es liebe.» Auch bei den Ochsenknechts dreht es sich um Fragen, die viele Leute beschäftigen: Kann die 80 Jahre alte Großmutter mit dem Zug zum Fest anreisen? Geschenke im Geschäft kaufen? Oder lieber online bestellen? Sicher ist für Natascha Ochsenknecht eines: Weihnachten soll so gemütlich wie möglich werden.
Von Caroline Bock, dpa
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