Auf den zweiten Blick: Apfelfrau!

"Ich hatte Glücksmomente, wenn ich in einem Apfelbaum stand."
Doris Schuster ist Inhaberin der „Obstquelle“ in Schwentinental. Die Entscheidung, den Hof von ihrem Vater zu übernehmen, hat viele Jahre gedauert. So romantisch mancher Sonnenuntergang am Ende des Tages – so groß ist die alltägliche Herausforderung für die 38-Jährige auf der Obstplantage zwischen Familie & Unternehmertum.
Witc: Du hast eigentlich mit einem Kunststudium begonnen und dann 2015 den Obsthof deiner Eltern übernommen. Warum?
Doris Schuster: Nach der Schule 2000 wollte ich gerne nach Hamburg ziehen, um Kunst zu studieren, bin dann parallel im Bereich Kostüm am Thalia Theater über ein Praktikum (bei Kostümbildnerin Andrea Schraad) gelandet. Das hat mir sehr gefallen und so habe ich bei verschiedenen Produktionen, auch bei Fernsehproduktionen und in der Schneiderei Costume Company am Kampnagel mitgewirkt. Die kurzen Engagements und das Stadtleben sagten mir auf Dauer nicht zu und dann war da parallel die ungeklärte Nachfolgesituation meines Familienbetriebes. Kurzerhand habe ich 2007 eine Ausbildung als Gärtnerin Fachrichtung Obstbau im Alten Land bei Hamburg begonnen und dann 2015 nach abgeschlossener Meisterprüfung den Familienbetrieb Obstquelle von meinem Vater Ernst Schuster übernommen.
Witc: Du „hast Apfelblut in den Adern“ – sagtest du in einem Interview. Wie verwurzelt bist du mit den Apfelplantagen?
Doris Schuster:Das habe ich gesagt? Auf jeden Fall war mir die Verwurzelung lange nicht klar. Dann war es häufig so, dass ich echte Glücksmomente hatte, wenn ich in einem Apfelbaum stand und ihn beerntet oder beschnitten habe. Auf dem Weg meiner Umorientierung zum Obstbau hin habe ich erst gemerkt, wie spannend dieser Beruf ist und wie komplex, abwechslungreich, herausfordernd, aber auch kreativ es ist, mit der Natur zu arbeiten.
Witc: Wie bewältigst Du die Herausforderung als Unternehmerin und Mutter?
Doris Schuster: Tja, zur Zeit bin ich hauptberuflich Mutter und habe das große Glück, dass alle aus meiner Familie im Betrieb mit anpacken. Nur so ist es möglich, das Ganze am Laufen zu halten.
Unser Erstgeborener ist fünf Jahre alt und im Juni 2020 bin ich Mutter von Zwillingen geworden. Da musste ich mich beruflich logischerweise zurücknehmen.
Witc: Die Obstquelle setzt auf alte Apfelsorten – warum?
Doris Schuster: Mein Vater Ernst Schuster hat schon 1995 mit dem Sortenerhalt von Obstsorten in unserem Betrieb begonnen. Einige ältere Sorten hatte er von meinem Großvater Paul Schuster übernommen. Dann hat er auf unserer Obstplantage angefangen, alte Apfelsorten „zu sammeln“. Diese hat er seitdem jährlich zur Verkostung bei unserem Herbstmarkt angeboten. Er wollte das Wissen über die Sortenvielfät und den Geschmack der alten Sorten am Leben halten. Durch die Zusammenarbeit mit dem Pomologen-Verein und dem KNIK HUS hier in Schwentinental wurde dann die Arbeitsgruppe Obstwiese Apfel (AKOWIA). Bis heute übernimmt die Obstquelle die Produktion des Streuobstwiesen-Apfelsaftes.
Mir liegt dieser Sortenerhalt auch sehr am Herzen und wir haben viel positive Rückmeldungen vor allem auch von Apfelallergikern, denen oft zu alten Apfelsorten geraten wird. Unsere Produktionsfläche ist mit 7 ha nicht besonders groß für einen Obstbaubetrieb, deshalb setzen wir auf Vielfalt. Viele verschiedene Sorten, möglichst viel Biodiversität, möglichst naturnah. Die Obstvielfalt möglichst optimal nutzen, verarbeiten und regional vermarkten: Das macht unseren Betrieb Obstquelle aus.
Witc: Was sind die schönsten Stunden im Jahresverlauf auf der Obstplantage?
Doris Schuster: Die schönsten Momente sind, wenn man die Jahreszeiten im Wandel hautnah erlebt, wenn unser Team Etappensiege feiert (z.B. wenn die Ernte geschafft ist), wenn man Bestätigung bekommt, dass das Obst gut schmeckt, wenn man im Frühjahr viele Marienkäfer findet, wenn die Bienen in die Obstblüte fliegen…
Witc: Inwieweit trifft die romantische Vorstellung vom ,Leben in Einklang mit der Natur´ zu?
Doris Schuster: Also romantisch ist der Sonnenuntergang am Tagesende, aber bis dahin gibt es auch viele Momente, die einen manchmal zweifeln lassen: Zum Beispiel ein Erlebnis wie in diesem Jahr, dass die Blüte zum Teil erfriert und das in ziemlich kurzer Zeit. Und dann muss man ein ganzes Jahr damit leben. Das ist auch schon mal ganz schön frustrierend.
Witc: Was bedeutet für Dich heute etwas zu GEBEN?
Doris Schuster: Als Gärtnerin trägt man heute eine große Verantwortung. Das Wissen über die Obstproduktion ist bei jungen Menschen oft nicht sehr ausgeprägt. Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass in den letzten 20 Jahren ca. 50 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe und damit auch die Vielfalt in unserer Kulturlandschaft verschwunden sind. Deshalb bedeutet es mir sehr viel, mein Wissen auch weiterzugeben, soweit dies möglich ist. Wir sind ein Ausbildungsbetrieb (Gärtner Fachrichtung Obstbau) und ab dem Jahr 2022 möchte ich dahingehend auch wieder ausbilden und das Angebot für Schulen und Kindergärten ausbauen, über Obst und Obstverarbeitung hier bei der Obstquelle zu informieren.
Witc: Bist Du eine Einzelkämpferin?
Doris Schuster: Meiner Meinung nach ist man nur als Netzwerkerin überlebensfähig. Wir tauschen uns gerne mit anderen Betrieben über Inhalte und Neuerungen aus. Zum Beispiel haben wir 2013 den Nordbauern Schleswig- Holstein e.V. mit 7 weiteren landwirtschaftlichen und Lebensmittel verarbeitenden Betrieben gegründet. Zur Zeit sind 40 Betriebe Mitglied im Verein.
STECKBRIEF:
Name: Doris Schuster
Familie: Patchwork
Lieblingsspeise: moelleux au chocolat
Lebensmotto: … immer wieder aufstehen!
Lebensplatz: im Sonnenschein
3 Wünsche: 1. Frieden und Gerechtigkeit 2. Kinder an die Macht 3.Vielfalt statt Einfalt
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