Luise Amtsberg im Interview
Sie ist die neue Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte
Wir treffen Luise Amtsberg per Zoom in ihrem Kieler Zuhause am Schrevenpark. Die 37-Jährige ist verheiratet, hat einen 6-jährigen Sohn und pendelt zwischen Berlin und Kiel. Als neue Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe hat die Grünenpolitikerin und studierte Islamwissenschaftlerin vor allem vor, authentisch zu bleiben und etwas zu bewegen. Loyalität und die Möglichkeit wirklich ehrlich sein zu können – das ist für sie Freundschaft und verbindet sie neben ihrem gemeinsamen politischen Weg auch mit Annalena Baerbock. Seit 2013 ist sie Mitglied des Bundestages.
Welches Buch hat Sie zuletzt zum Nachdenken gebracht?
„Liebe in Zeiten des Hasses“ von Florian Illies
Kaffee oder Tee? Beides: morgens Kaffee, tagsüber Tee
Ohne was verlassen Sie niemals das Haus? Smartphone
Auf was können Sie nicht verzichten? Meine Familie & Musik
Was bedeutet Freundschaft für Sie? Loyalität und die Möglichkeit wirklich ehrlich sein zu können und loszulassen
Wenn Sie nicht Politikerin wären, … wäre ich Innendesignerin – das war mein Plan B. Ich habe auch einen Plan C und D
Lusie Amtsberg ©Marco Fischer
WITC: Frau Amtsberg – wie fühlt es sich an, die neue Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe zu sein?
Luise Amtsberg: Ich freue mich sehr über das Vertrauen der Bundesregierung! Es ist eine wahnsinnig große Verantwortung. Der Perspektivwechsel vom Parlament in die Bundesregierung ist sehr spannend. Und wie es so schön heißt: das Amt bleibt, die Person wechselt. Das heißt auch, dass man in bereits laufende Prozesse hineinkommt und schnell sprechfähig zu vielen Themen sein muss – das fordert mich. Aber ich habe trotzdem nicht gezögert, als Annalena Baerbock mich gefragt hat, ob ich die Aufgabe übernehme.
Es war also auf jeden Fall eine positive Herausforderung für Sie?
Luise Amtsberg: Absolut. Ich bin den Menschenrechten verschrieben, seit ich Politik mache.
Wie arbeiten Sie sich denn nun schnell in den neuen Job ein?
Luise Amtsberg: Viele Prozesse laufen bereits und ich lote gerade aus, welche Schwerpunkte ich selbst einbringen möchte. Olympia und Menschenrechte waren natürlich gleich zu Beginn ein wichtiges Thema. In vielen Ländern sind die Menschenrechte unter Druck und Konflikte präsent: Kuba, Mosambik, Äthiopien, Russland, China – es ist fast unmöglich, allen Ländern die gleiche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ein vorrangiges Thema des Außenministeriums ist aber selbstverständlich Afghanistan. Wir haben das Versprechen gegeben, denjenigen zu helfen, die sich in Afghanistan für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen. Aber auch Belarus, Russland, Kasachstan und die Ukraine erfordern ein besonnenes Vorgehen. Ein weiteres zentrales Anliegen ist es, die deutsche humanitäre Hilfe vorrausschauender zu gestalten. Bei der Flüchtlingspolitik kann ich sehr gut an meine bisherige Arbeit anknüpfen.
Was bedeutet Ihnen der neue Job?
Luise Amtsberg: Ich habe nicht zwingend nach einem Regierungsamt gestrebt. Als es mir aber angeboten wurde, habe ich sofort gewusst: Wenn ich das mache, ist das nur konsequent. Denn wir Grünen sind in die Bundesregierung eingetreten, um etwas zu verändern. Ich habe jahrelang für unsere Fraktion ein öffentlich hart umkämpftes Thema betreut – nämlich Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik. Klar habe ich auch ein bisschen die Sorge, an bestimmten Fragen zu scheitern oder zu erleben, dass sich bestimmte Dinge gar nicht ändern lassen.Ich kann es nur herausfinden, wenn ich es probiere. Es ist ein krasser Schritt, aber ich bin sehr dankbar für die Chance und die Gestaltungsspielräume.
Ich habe mein Mandat immer als Privileg verstanden – und das meine ich auch so. Nun an so entscheidender Stelle Verantwortung zu übernehmen, ist auch ein großes Privileg. Ich werde das Amt mit Entschiedenheit und Demut vor der Aufgabe führen.
Flüchtlings- und Migrationspolitik war eine der großen Motivationen für Sie, in die Politik zu gehen. Warum ist das Thema für Sie präsent?
Luise Amtsberg: Das hängt vor allem mit meiner Familiengeschichte zusammen. Ich bin in der DDR geboren und war 6 Jahre alt als die Mauer fiel. Mein Vater war nicht systemkonform und mit Fragen der Freiheitsrechte bin ich groß geworden. Mein Vater war einige Jahre im Stasi-Gefängnis in Bautzen inhaftiert. Er hat mir vermittelt, was es bedeutet, sich nicht frei äußern zu können. Mich selber politisch einzubringen, stand eigentlich nie in Frage. Und der Weg zu den Grünen war auch logisch. Unsere Partei hat ihre Wurzeln in der DDR Bürgerrechtsbewegung. Während meines Studiums in Kiel sind mir dann sehr viele Menschen begegnet, die eine Fluchtgeschichte haben – und mir ist klargeworden, dass es in Deutschland nach wie vor Bürgerrechte der ersten und zweiten Klasse gibt. Das wollte ich so nicht akzeptieren. Als 23-Jährige haben mich Robert Habeck und Konstantin von Notz stark motiviert, meinen politischen Weg auch parlamentarisch zu gehen.
Was ändert sich für Sie persönlich mit dem neuen Job?
Luise Amtsberg: Es werden sicherlich mehr Reisen auf mich zukommen, wenn Corona es zulässt; und natürlich wird sich meine Außenwahrnehmung ändern.
Sind Sie auf die stärkere Außenwahrnehmung vorbereitet?
Luise Amtsberg: Ich weiß nicht, ob man sich darauf richtig vorbereiten kann. Mir ist natürlich wichtig, authentisch zu bleiben. Berufspolitik verändert einen. Aber mir ist wichtig, dass die Menschen in mir eine Persone sehen, die Politik aus Überzeugung tut. Mein Anliegen ist, Prozesse besser zu vermitteln. Ich möchte auch Regierungshandeln transparenter machen.
Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?
Luise Amtsberg: Das lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Mein Mann ist beruflich in Berlin eingebunden. Das heißt, wir haben unseren Familienwohnsitz in Berlin. Auch ich muss durch mein Mandat und die neue Aufgabe die meiste Zeit im Jahr in Berlin verbringen. Und trotzdem sage ich ganz deutlich: Kiel ist mein Zuhause. Wenn man mich fragen würde, was das Schlimmste an meinem Job ist, dann würde ich sagen: dass der Bundestag nicht in Kiel am Meer liegt. Es ist schon eine enorme Lebensqualität, die wir hier in Kiel direkt an der Ostsee haben. Mein Freundeskreis ist in Kiel. Ich habe somit keinen klassischen Lebensmittelpunkt – ich bin an zwei Orten zu Hause.
Wie funktioniert ihr Familienmanagement?
Luise Amtsberg: Man muss sich Grenzen setzen. Es ist für mich während der Sitzungswochen normal, dass ich mein Kind von der Schule abhole und noch Zeit mit ihm verbringe. Wenn mein Sohn im Bett ist, dann arbeite ich meist noch ein paar Stunden. Ich muss mir aber selber Grenzen setzen. Denn ich funktioniere nicht als Politikerin, wenn ich als Mensch nicht glücklich und mit meiner Familie zusammen bin.
Ich versuche grundsätzlich, die Wochenenden für mich, aber auch für meine Mitarbeiter*innen frei zu halten – natürlich gelingt das nicht immer. Es ist trotzdem sehr wichtig, dass man Ruhephasen hat. Ansonsten erfordert unser Leben vor allem Organisation – mein Mann und ich setzen uns dann zusammen und schauen, wie was geht. Wir haben zum Glück einen großen familiären Support in Berlin, meine Eltern leben dort. Grundsätzlich muss man aber leider sagen, dass der Berliner Betrieb nicht unbedingt familienfreundlich ist.
Was bedeutet für Sie politische Korrektheit?
Luise Amtsberg: … dass man zumindest darüber nachdenken muss, was man sagt. Und im Wesentlichen bedeutet das für mich, diskriminierungsfrei zu handeln und zu sprechen. Nicht entlang der Frage richtig oder falsch, sondern entlang der Frage: Verletze ich jemanden? Fühlt sich jemand durch das, was ich tue, in seinen Rechten und seiner Würde beschränkt? Und wenn die Antwort „ja“ ist, dann stellt sich mir nicht die Frage, ob ich das nachvollziehen kann oder nicht, sondern dann fordert es mich auf, mich anders zu verhalten. Das ist für mich politische Korrektheit.
Was verbindet Sie persönlich mit Außenministerin Annalena Baerbock?
Luise Amtsberg: Wir sind Freundinnen seit vielen Jahren, unsere Familien sind befreundet und wir haben zur selben Zeit während des Mandats ein Kind bekommen – das war für uns auch eine gemeinsame Erfahrung und Herausforderung. Wir gehen politisch zusammen schon sehr lange einen gemeinsamen Weg und daraus hat sich auch unsere Freundschaft entwickelt.
Mit welchen Wünschen sind Sie eigentlich in den neuen Job gestartet?
Luise Amtsberg: Persönlich oder politisch? Persönlich wünsche ich mir vor allem eine gute Work-Life-Balance. Wenn man politisch aktiv ist, muss man viele Kompromisse machen – in jeder Hinsicht. Ich bekomme zum Beispiel auch viele Hassbotschaften und Bedrohungen gegen meine Familie. Da stellt sich immer auch die Frage: Wie weit bin ich bereit, das wegzustecken.
Ich löse das für mich so auf, dass ich, solange ich das Gefühl habe, etwas zu verändern, auch bereit bin, meine ganze berufliche Kraft zu geben. Das bedeutet auch, Kompromisse im privaten Bereich zu schließen. Priorität hat trotzdem immer mein Sohn.
Name: Luise Amtsberg (37)
Familie: verheiratet, 1 Kind
Hobbys: Strandspaziergänge, Windsurfen, Snowboaden, Kajak fahren und Stand Up Paddeln, ich bin gerne mit Freunden zusammen, Musik hören, malen. Ich nenne das Malen eigentlich Toben. Ich baue mir große Leinwände und dann male ich drauf los.
Lieblingsorte Kieler Förde: Tiessenkai, ich bin ein Falckenstein-Fan, wegen der guten Erreichbarkeit, der Festung Friedrichsort und der „Deichperle“
Lebensmotto: Positiv bleiben!
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