Auf die Welle und los! Vom demütigen Surferherz

18. Mai 2021
Friederike Hiller ist Wassersportlerin mit Herzblut und betreibt das Online-Magazin Coastwriter. (Foto: adobe stock)

"Wer durch ein Meer von Plastiktüten gepaddelt ist, der wünscht sich einen Wandel vom gewinn-maximierenden Wachstum auf Kosten von Mensch und Natur hin zu einer nachhaltigen Lebensweise."

Friederike Hiller bleibt ihrem ersten Beruf als Journalistin treu: mit dem Wassersport-Online-Magazin “Coastwriter” nimmt sie vor allem Frauen in den Fokus. Woman in the city hat mit der Kielerin über das Surferherz und die Demut auf dem Wasser gesprochen.

WITC: Dein Online-Magazin „Coastwriter“ verbindet Frauen mit der Leidenschaft zum Wassersport. Spiegelt „Coastwriter“ Dein Lebensgefühl wider?

Friederike Hiller: Die Vielfalt des Wassersports, die Faszination für die Natur und die Elemente sowie der Schutz der Meere sind wichtige Themen für mich. Darüber hinaus nimmt Coastwriter in fast allen Artikeln Frauen in den Fokus. Noch immer sind Surfer präsenter als Surferinnen. Auch wenn dies in anderen Ländern ein stärkeres Problem ist als bei uns, kann sich die westliche Surfer-Szene nicht davon freisprechen. Frauen werden weiterhin gerne in Bikini abgelichtet, aber weniger als sportliche Surferinnen gesehen.

WITC: Welchen Wassersport liebst Du am meisten?

Für mich ist das Wellenreiten der Wassersport, der sich pur anfühlt. Der Kraft der Welle ganz nah, nur mit dem Brett. Hinter der Brechungslinie der Wellen – im Line-up – habe ich immer schöne Songs im Kopf und summe vor mich hin. Dort gibt es nur die Natur, die Welle und die eigenen Stärken und Schwächen. Natürlich gibt es mittlerweile viele Spots, an denen starker Andrang herrscht. An Beachbreaks suche ich mir dann lieber mein nicht so überfülltes Fleckchen, auch wenn die Welle dort vielleicht nicht ganz so gut ist. Aber mir geht es beim Wellenreiten vor allem um das Gefühl, nicht um die Performance – dafür bin ich auch nicht gut genug.

WITC: Könntest Du an einem anderen Ort leben, als an der Kieler Förde?

Die Kieler Förde ist meine Heimat. Auch wenn es hier mit den Wellen nur sehr sehr selten klappt. Es gibt viele schöne Flecken auf der Erde. Doch dort, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind, da fühle ich mich wohl. Zudem habe ich hier meine Praxis für psychologische Beratung und Hypnosetherapie. Und natürlich liegen viele Wasserthemen für den Coastwriter quasi vor der Haustür.

WITC: Was sind 2021 die neuesten Trends auf dem Wasser?

Richtig neu sind sie nicht, werden aber 2021 bestimmt weiter an Beliebtheit gewinnen: Wing Foiling, das Thema Foilen an sich ob nur mit Board, ob mit oder ohne Wing oder Kite. Yoga auf dem SUP-Board sehe ich auch in diesem Sommer als beliebte Abwechslung zur Yogamatte. Ich kann mir auch vorstellen, dass das Elektro-Hydrofoil weiter hoch im Kurs stehen wird.

WITC: Wenn man ein Surferherz hat, so wie Du, wie ist dann der Blick auf unsere Welt?

Die Welle lehrt uns auch Demut. Immer höher, schneller, weiter funktioniert nicht. Vor allem nicht im Kampf gegen die Welle, sondern nur mit ihr zusammen. Mir ist es wichtig zu hinterfragen, wie viel Leistungsgesellschaft wirklich nötig ist, wo die Grenzen des materiellen Wachstums sind und vor allem, was dies mit uns und vor allem unserer Umwelt macht. Einige Menschen fühlen sich aufgerieben, vergessen das Leben zu genießen, die Natur wahrzunehmen und über das eigene Handeln und Streben nachzudenken. Die Wegwerfgesellschaft gaukelt ein Übermaß an Ressourcen vor. Ein Irrglaube, wie ich finde. Wer durch ein Meer aus Plastiktüten gepaddelt ist oder auch vor unserer Küste beim Stand-up-Paddling mehrere Plastikmüllstücke mit an Land bringt, der wünscht sich einen Wandel vom gewinnmaximierenden Wachstum auf Kosten von Mensch und Natur hin zu einer nachhaltigen Lebensweise.

WITC: Du bist eigentlich Journalistin und hast Dich noch einmal beruflich neu orientiert – warum?

Ich habe in der Zeit als Redakteurin mitbekommen, wie Arbeitsbedingungen krank machen können, sowohl psychisch als auch physisch. Auch wenn ich das nicht am eigenen Leib erfahren habe, so haben mich die Schicksale der Menschen um mich herum nachdenklich gestimmt. Ursachen, Hintergründe, Lebensweisen rückten in mein Interesse. So habe ich angefangen zu recherchieren, nicht für einen Artikel, sondern für eine Veränderung in meinem Leben. Meine Neugierde hat mir immer tiefere Einblicke in mentale und psychologische Prozesse in unterschiedlichen Lebensbereichen ermöglicht. Nach Ausbildung und Weiterbildungen habe ich mich als Heilpraktikerin für Psychotherapie selbstständig gemacht.

WITC: Wie hast Du die letzten Monate erlebt?

Das Leben einmal ganz anders. Das was selbstverständlich war, war es plötzlich nicht mehr. Es gab Momente, in denen ich das Wort Corona nicht mehr lesen oder hören wollte, in denen ich mich gerne wieder ganz frei mit Freunden getroffen oder auch in denen ich gerne wieder ohne Maske und Hygienevorschriften gearbeitet hätte. Aber es gab auch viele Momente, die zum Nachdenken angeregt haben.

WITC: Worüber sollten wir MAL NACHDENKEN?

Was wir der Natur zurückgeben können, wie wir nachhaltiger Leben können und was für uns Lebensfreude und Glück fernab von gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen bedeuten.

 

STECKBRIEF

//Name: Friederike Hiller //Beruf: Heilpraktikerin für Psychotherapie und freie Autorin //Hobbys: Surfen, Yoga, Natur genießen //das habe ich zuletzt gelesen: Die Zeit

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