In 136 Tagen zu Fuß ans Nordkap – Swantje Ehrens durchwanderte allein Norwegen

29. März 2023
Swantje Ehrens
Woman in the city traf Swantje Ehrens aus Achterwehr, die aufbrach, um Norwegen

,,Gute PLanung ist für mich die Voraussetzung, um die Tour genießen zu können."

Manche Ideen wirken so kühn, dass es Jahre dauern kann, bis daraus ein Plan wird, der sich verwirklichen lässt. Norwegen in einem Stück der Länge nach allein zu durchwandern, ist so einer. Swantje Ehrens setzte ihn um. Am 29. Mai 2019 brach sie im Süden des Landes auf. Ihr Ziel war das Nordkap. Sie erreichte es Mitte Oktober. Wir sprachen mit der heute Vierzigjährigen über ihre 2.800 Kilometer lange Tour.

Monatelang unterwegs zu sein, ist für viele ein Traum. Er verfolgte auch Swantje einige Jahre, bevor sie ihn anging. Per Kajak, auf Tourenski und in Wanderstiefeln hatte sie Norwegen mehrfach bereist. Doch das waren mehr oder weniger kurze Trips, beschränkt auf Jahresurlaub, der ihr als Bildungsreferentin im Vollzeitjob zustand.
Ungestillt blieb die Sehnsucht nach einer Herausforderung: Aus eigener Kraft weite Distanzen ganz allein zurückzulegen, die individuellen Grenzen von Freiheit und von Unabhängigkeit in der Natur zu erfahren.

Phasen des Aufbruchs

Nach einer belebenden Rückenmassage, entsinnt sich Swantje, brach ihre letzte innere Barriere: „Ich will das einfach – komme, was wolle.“ Ihr Vater war der erste, dem sie ihre Idee anvertraute. Sein Zuspruch bestärkte sie in dem Plan, ihren Arbeitgeber um eine Auszeit von sechs Monaten zu bitten. Dies war die entscheidende Phase des Aufbruchs, bekennt Swantje im Rückblick: „Nach der Bekanntgabe war ein Rückzug eigentlich ausgeschlossen.“

In den darauf folgenden sechs Monaten verbringt sie ihre Freizeit mit Vorbereitungen. „Norge på langs ist eine Route, kein Weg oder Pilgerpfad wie der Jakobsweg. Jeder bewältigt sie nach eigenen Regeln. Es gibt Menschen, die fahren die Distanz mit dem Rad ab oder joggen sie, andere nehmen Skier. Ich wollte möglichst wenig Asphaltkilometer laufen. GPS Navigation liegt mir nicht so, deshalb besorgte ich mir bei Freunden und über den Handel Kartenmaterial.“

Vierzig Messtischblätter kamen zusammen. Verteilt auf ein Dutzend Versorgungspakete gelangten sie samt Trekkingnahrung, Gaskartuschen und Ersatzkleidung per Post zu Swantjes Etappenzielen. „Gute Planung ist für mich die Voraussetzung, um die Tour genießen zu können. Plötzlicher Wetterumschwung, ein tiefes Schneefeld oder ein reißender Fluss, den ich watend nicht wie geplant durchqueren kann, bergen genügend Überraschungen. Dann beruhigt es zu wissen, dass im Gepäck ausreichend Reserven vorhanden sind.“

Allein, aber nicht einsam

Wer allein aufbreche, komme rascher in Kontakt mit anderen. Diese Begegnungen seien die „nötige Würze“ einer Tour, resümiert Swantje. Neben Verabredungen mit anderen Abenteurern wie dem Norweger Stefan, der ebenfalls das Nordkap angepeilt hatte, aber flinker voran kam, genoss sie vor allem die Gastfreundschaft der Einheimischen. „Wo kommst du her? Wo willst du hin? Das fragt dich dort jeder. Nachdem sie meine Geschichte erfahren hatten, boten mir Einheimische Unterstützung an. Aus dem Auto wurden mir Energieriegel gereicht. Andere luden mich zum Essen in ihr Wohnhaus“, erinnert sich Swantje und erklärt: „Die gut 20 kg Gepäck auf meinem Rücken waren ein hartes Brot. Jede Wohltat ist da willkommen. Nur Mitfahrangebote schlug ich aus. Ebenso wie eine Angel. Für Norweger ist völlig unverständlich wie jemand ohne Jagdausrüstung wochenlang draußen leben kann.“

Ende gut, alles gut?

In ihrem Blog beschreibt Swantje wie sie auf ihrer Wanderung den raschen Durchlauf der Jahreszeiten im Norden erlebt. Und berichtet, dass sie die Sommerhitze weitaus bedrohlicher erlebt habe, als Schnee und Eis, weil dann das Trinkwasser knapp wird. Auf Nachfrage hält Swantje auch Vorträge: „Über die Fotos wieder einzutauchen in die Erlebnisse und Eindrücke von damals, tut mir gut. Denn obwohl ich mich auf Familie, Freunde und mein Netzwerk daheim freute, fiel die Rückkehr schwer. Ein kleiner Teil von mir kam gar nicht zurück“, bekennt sie und schickt ein Lächeln über den Tisch, das verrät, dass bereits neue Ideen heranreifen.

//In Kooperation mit:
Podcast ABLEGEN
Episode 032 „Abenteurer“
Mit Swantje Ehrens und
Carsten Scheibe
https://ablegen.de

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