Wenn aus Flüstern klare Gedanken werden: HorsEnergy coacht mit Pferden
,,Wenn es im Coaching oder Business Training einmal zu Situationen kommt, die das Pferd irritieren, so üben wir im ruhigen Rahmen nach. Das Pferd soll sowohl Vertrauen als auch angemessenen Respekt gegenüber den Menschen bewahren."
Christina Bockel bringt mit HorsEnergy Menschen und Pferde beim Coaching zusammen. Die Pferde helfen dabei, dass die Menschen schneller Kontrolle abgeben können. „Denn dann zeigen die Menschen ihre typischen Verhaltensmuster“, meint Christina Bockel.
Name: Dr. Christina Bockel
Alter: 53
Beruf/Berufung: zertifizierter Horse Assisted und Business Coach und Trainerin (dvct),
Geschäftsführerin
Lebensmotto: (Scheinbare) Gegensätze verbinden
Lieblingsorte: Mein Hof, die Nordsee und die Alpen (und ab und zu eine Großstadt)
Morgenroutine? Mit meinen beiden Hunden gehen
Welche Momente schätzen Sie am meisten? Im Privaten das Kochen und Musizieren
Wünsche an die Welt: Demokratie
Sie sind weit gereist, haben ein Ingenieurstudium und ein Managementstudium absolviert, haben promoviert und sind nun wieder zu Hause in Eutin angekommen, um mit Pferden und Menschen zu arbeiten. Hat sich ihr Kreis geschlossen?
Christina Bockel: Das ist eine sehr nachvollziehbare Frage und verständlich, dass es so wirkt. Vieles in meinem Leben hier ist für mich stimmig und passend und dafür bin ich sehr dankbar und schätze es jeden Tag. Und gleichzeitig habe ich auch noch weitere Ziele – diese sind nicht zwingend. In meinem fortgeschrittenen Alter gilt es ja, einerseits immer offen und in Entwicklung zu bleiben. Das hält jung, rege und flexibel. Andererseits ist es ebenso wichtig, realistisch zu sein und für die Zukunft auch einzuplanen, dass die Kräfte und Möglichkeiten einmal schwinden können. Daher versuche ich, meinen weiteren Wünschen und Zielen nachzugehen und gleichzeitig einen Plan B abzusichern, mit dem ich bei Bedarf möglichst gut auf eine reduzierte Variante meiner Lebensplanung zurückgreifen kann.
Was genau bringt Business und Pferde zusammen?
Christina Bockel: Das kann für die Menschen, ihre Unternehmen und die Pferde sehr unterschiedlich sein – und hängt auch wirklich von den jeweiligen Charakteren, deren Möglichkeiten und den Rahmenbedingungen ab.
In meinem Fall unterstützen uns die Pferde darin, im Coaching relativ schnell eine gute Form der Kontroll-Abgabe zu bewirken. Denn dann zeigen die Menschen ihre typischen Verhaltensmuster. So erkennen die Coachees ihre Hürden und auch ihre Ressourcen – und diese lassen recht rasch erkennen, wie veränderte Verhaltensmuster zu neuen Lösungen und besseren und erfolgreichen Wegen im Alltag führen. Die Pferde stellen also gemeinsam mit mir als Coachin einen vertrauensvollen Rahmen her.
Wenn dann in meist emotionalen Momenten erlebt wird, wie sich Blockaden lösen und neue Möglichkeiten entdeckt werden, folgt dann aber wieder ein stringenterer und rationaler Teil. Denn die Umsetzung der neuen Erkenntnisse im Alltag ist etwas, das strategisch und innerhalb geordneter Rahmenbedingungen abläuft. Solche geordneten Rahmenbedingungen gibt es auch bei den Pferden und zwischen Pferd und Mensch. Denn diese schaffen für schwierige Situationen Sicherheit und für sinnvolle Routinen ein gutes Zeitmanagement – für Pferde als Fluchttiere kann das schon ein wichtiger Faktor beim Überleben sein.
Wer ist denn bei Ihnen der Pferdeflüsterer oder die Pferdeflüsterin – die Pferde oder der Coach?
Christina Bockel: Wir möchten, dass die Coachees sich am Ende ihre eigenen, ganz persönlichen und für sich passenden Antworten auf ihre Anliegen und Fragen selbst zuflüstern. Dabei helfen wir mit unseren Methoden, unserer wertschätzenden Haltung als Coaches und unserer Präsenz. So wird das Flüstern auch zu klaren Gedanken für die Coachees und zu lesbaren Anleitungen für den Alltag.
Persönlichkeitsentwicklung, Teambildung, Führungskräftetraining – und immer sind die Pferde dabei – können Sie uns ein oder zwei Beispiel erläutern, wie das genau funktioniert?
Christina Bockel: In einem Impuls-Coaching orientieren wir uns an der individuellen Zielsetzung unserer Coachees – wir klären zunächst das Thema und Ziel der Coaching-Einheit. Dazu passend laden wir die Coachees zu einer oder mehreren Übungen mit den Pferden ein. Wenn es beispielsweise um mehr Resilienz im Alltag geht, so ist ein Teil der Übung, den Focus auf den Augenblick zu lenken. Denn Achtsamkeit und das Bewusstsein für den Augenblick ist eine wichtige Stütze der Resilienz.
Da stellen wir dann die Aufgabe, zunächst einen Parcours mit einem Pferd zu durchlaufen. Und in einer weiteren Runde wird an jeder Station des Parcours einmal gestoppt (beispielsweise beim Überqueren einer Plane oder eines Hindernisses). Und im Anschluss bieten wir an, den Parcours noch in verschiedenen Tempi – je nach Lust und Laune zu Durchlaufen.
Nach jeder Runde reflektieren die Coachees ihre Erlebnisse. Meist stellen sich dabei ganz von selbst neue Erkenntnisse ein – zum Beispiel: wo ist das eigene Verhalten hilfreich, und wo hindert es? Das Variieren des Tempos und das Innehalten zwischendrin geben ja schon wertvolle Hinweise darauf, wo im Alltag Flexibilität angebracht sein kann – und ich erinnere mich gut an eine Coachee, die sich bei dieser Übung spontan ganz gemütlich auf eine Station im Parcours setzte. Sie war sehr zielorientiert und kritisch sich selbst gegenüber – und hat für sich aus dieser Situation gefolgert, dass Pausen für sie wichtig und auch langfristig produktiv sind, weil sie in den Pausen Kraft für die weiteren Aufgaben schöpft. Durch das intensive Erlebnis während des Coachings war diese Erkenntnis so gut – auch körperlich – verankert, dass sich die Pausen dann auch im Alltag gut umsetzen ließen.
Beim Team-Training schulen wir die gegenseitige Achtsamkeit, indem wir einzelne Team-Mitglieder einen Parcours mit je einem Pferd parallel durchlaufen lassen. So müssen die Teilnehmenden auf das Pferd, den Parcours und die parallel gehenden Mensch-Pferd-Teams achten. Bei gut eingespielten Teams ist es interessant zu beobachten, dass die Abstimmung oft mit kleinen oder gar ohne Gesten funktioniert – es ist klar, wer den Start und das Tempo vorgibt, und das parallele Durchlaufen des Parcours fällt oft leicht. Dafür übersehen diese Teams aber manchmal gerne ihre Schwächen – beispielsweise, wenn sie den Parcours nicht wie vorgegeben durchlaufen. Es gibt also auch bei den (vermeintlichen) Schwächen eine Art unsichtbaren Verhaltenscodex, bei dem bestimmte Teammitglieder ‚gedeckt‘ und auch unpassende Fehler möglicherweise toleriert werden. Hier verändern wir dann oft die Aufgabestellung mehrfach. Durch das ‚Aufbrechen‘ der eingefahrenen Gleise können gut eingespielte Teams so ihre Stärken bewahren, reflektieren sich aber zusätzlich noch einmal neu.
Wenn die Pferde zum Teil die Menschen coachen – wer coacht dann die Pferde und achtet auf Ihre Bedürfnisse und Freiheiten?
Christina Bockel: Alle Pferde leben bei uns in artgerechter Haltung – sie haben Offenställe und große Paddocks sowie ganzjährigen Weidegang (Winter- und Sommerweiden). Regelmäßige Wurm- und Zahnkontrolle sowie sämtliche Impfungen (aufgrund des regelmäßigen Kontaktes zu möglichen Virenüberträgern) sind bei uns selbstverständlich, ebenso legen wir Wert auf passendes Futter (Heu oder Silage). Diese Grundversorgung sorgt schon einmal für zufriedene und motivierte Pferde.
Ansonsten achten wir darauf, die Pferde altersgemäß zu fördern und durch Bodenarbeit für ihre Einsätze im Coaching vorzubereiten. Dabei sollen die Pferde ihre natürliche, ihrem Charakter entsprechende, aber keine panische Reaktion zeigen, damit jederzeit Sicherheit für alle Beteiligten gegeben ist.
Wenn es im Coaching oder Business Training einmal zu Situationen kommt, die das Pferd irritieren, so üben wir im ruhigen Rahmen nach. Das Pferd soll sowohl Vertrauen als auch angemessenen Respekt gegenüber den Menschen bewahren. Darauf achten wir natürlich auch in den Coachings.
Aber manchmal ‚coachen‘ wir dann im Nachgang auch noch unsere Pferde, um auf allen Ebenen Klarheit und Zufriedenheit zu erhalten. Mir als Besitzerin, vor allem aber als ‚Frauchen‘ der Pferde, obligt natürlich die Hauptverantwortung für die Tiere, die ich gerne trage. Zum Glück habe ich ein gutes Team, welches mich unterstützt.
Was bedeutet Ihnen Heimat?
Christina Bockel: Beheimatet habe ich mich tatsächlich an verschiedenen Orten dieser Welt gefühlt. Mein jetziges Zuhause gefällt mir besonders gut durch die unmittelbare Nähe zur Natur, insbesondere zu dem direkt angrenzenden Wald. Schön ist aber auch die direkte Angebundenheit an die schöne und interessante Kleinstadt Eutin. Besonders gut gefällt mir, dass wir zusätzlich auch gut nach Kiel, Lübeck und Hamburg kommen. Diese Kombination aus Natur und der Möglichkeit, auch einmal unkompliziert Stadtluft mit seiner kulturellen Vielfalt zu schnuppern, ist ein großer Reichtum.
Welche Momente in ihrer Arbeit lieben Sie am meisten?
Christina Bockel: Ich liebe am meisten die Vielfalt meiner täglichen Arbeit. Auf meinem Grundstück habe ich neben HorsEnergy noch einen weiteren Wirtschaftszweig. Auch wenn es Routinen gibt, die für die Bewältigung meiner Aufgaben erforderlich sind, so hat doch jeder Tag seine eigene Identität, und das macht meine Arbeit für mich zwar herausfordernd, aber auch sehr interessant und geschätzt.
Können Sie sich ein Leben ohne Pferde vorstellen?
Christina Bockel: In der heutigen Zeit halte ich es für sinnvoll und notwendig, sich verschiedene Formen des Lebens vorstellen zu können. Auch wenn wir Menschen schon oft vor große Herausforderungen gestellt wurden, so scheint die Dichte der aktuellen Krisen doch zuweilen überwältigend. Von daher kann ich mir zwar ein Leben ohne Pferde grundsätzlich vorstellen. Viel schwieriger ist es aber, mir ein Leben ohne meine Pferde vorzustellen. Denn im Laufe der Zeit haben wir eine intensive und sehr innige Bindung zueinander aufgebaut, und das Coaching und Business Training mit den Pferden macht mir unglaublich viel Freude. Von daher bin ich sehr dankbar, dass ich mit meinen Pferden leben und arbeiten kann.
Was haben die Pferde Sie gelehrt, was Sie ohne sie nie erkannt hätten?
Christina Bockel: Sag niemals nie – es gibt meist verschiedene Wege, etwas zu lernen. Mein wichtigstes Erlebnis mit den Pferden: als Kind war es aufgrund meiner Allergien undenkbar für mich, Kontakt zu Pferden zu haben. Dennoch hatte ich den Wunsch, einmal durch den Wald vor meiner Tür zum Forsthaus Dodau – auch bekannt aus den Immenhof-Filmen – zu reiten. Und 2003 war es dann auf einmal soweit – ich saß auf meinem ersten eigenen Pferd, meiner Schimmelstute, und schaute das Forsthaus an.
Da wurde mir eigentlich erst so richtig bewusst, dass sich dieser Wunsch erfüllt hatte. Was ich daraus gelernt habe: für wichtige Ziele lohnt es sich, große Widerstände zu überwinden (in diesem Falle meine Pferde-Allergie).
www.horsenergy.net
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