Hindernis beim Maske-Tragen

13. August 2020
Zu häufig wird der Mund-Nasen-Schutz unter der Nase getragen. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Es war im IC 2269 auf dem Weg von Stuttgart nach München. Harsch fuhr der Zugbegleiter zwei Männer an: «Es heißt nicht ohne Grund Mund-Nasen-Schutz. Wenn Sie nicht sofort die Maske über die Nase ziehen, ist der nächste Halt Endstation.»

Die Worte kamen ruppig daher, die Angesprochenen reagierten abwehrend bis empört. Aber sie folgten der Anweisung des Schaffners. Letztlich hatte er das ausgesprochen, was die Akkuraten unter den Maskenträgern wohl immer wieder denken, wenn anderen das Stück Stoff unter dem Zinken hängt.

Unfreiwilliger Vorreiter dieses Kleidungsstils ist wohl der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Ende März bei einem Termin in Aachen zum Thema «Virtuelles Krankenhaus» trug er die Maske so, dass der Riechkolben als Brillenstütze frei darüber empor blitzte. Er habe den «Mundschutz» wohl zu wörtlich genommen, scherzten einige da. Laschet demonstrierte später in einem Kurzvideo auf Twitter, wie der Mundschutz richtig über Mund und Nase angelegt wird.

Höchste Virusdichte in oberen Atemwegen

So ein Schutz sei wichtig, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO-KHC): «Die größte Virusdichte findet sich in der Regel aber nicht in der Lunge, sondern in den oberen Atemwegen, vor allem in der Nase und im Nasenrachenraum.» Nach Auskunft weiterer Mediziner sind ACE2-Rezeptoren, mit deren Hilfe Coronaviren in den Körper gelangen können, in vielen Organen zu finden – etwa in der Lunge, in der Augenhornhaut, vor allem aber in der Nase. Eine freie Nase ist also in beide Richtungen gefährlich, gewissermaßen als Ein- und Ausflugschneise für Corona.

Gut – je freier man atmen kann, desto angenehmer ist es. Nicht erst bei den sommerlichen Temperaturen wie im Moment schwitzt man unter der Maske. Und einigen Menschen beschlägt beim Schnaufen dann schon einmal die Brille. Dennoch will die Bahn das Einhalten der Maskenpflicht in Zügen notfalls mit Verweisen durchsetzen.

Das menschliche Riechorgan

Doch irgendwas scheint der Mensch generell mit der Nase zu haben. Sie ist jedem ziemlich mittig im Gesicht platziert. Man kann sie rümpfen, hochziehen oder mit dem Finger in ihr bohren. In Redewendungen wie «der Nase nach», «auf der Nase herumtanzen» und «die Nase voll haben» spielt sie die zentrale Rolle. «Die Nase ist ein zentrales Element der menschlichen Persönlichkeit. Sie steht im Mittelpunkt der optischen Aufmerksamkeit und prägt maßgeblich die ästhetische Wirkung des Gesichts», heißt es bei der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen.

«Wer mit der Form seiner Nase unzufrieden ist, spürt daher einen hohen persönlichen Leidensdruck und eine Schwächung des Selbstwertgefühls», schreiben die Mediziner weiter. Auch Atemprobleme können Grund für eine Nasenkorrektur sein. Das Statistische Bundesamt hat für 2018 insgesamt mehr als 450.000 Operationen an Nase und Nasennebenhöhlen erfasst. Dabei wird nicht immer nur die Nase als Ganzes begradigt, verkleinert oder vergrößert. «Auch Nasenspitze und Nasenlöcher können korrigiert werden», erläutern die Chirurgen.

Lange sei auch der Geruchssinn als «primitiv» vernachlässigt worden, beklagt die DGHNO-KHC – dabei sei er lebenswichtig, etwa bei Feuer und Rauch oder Chemikalien. Heute weiß man unter anderem, dass auch der Geschmack verloren geht, wenn der Geruchssinn schwindet. Das Riechvermögen nimmt mit dem Lebensalter ab. Und Gerüche können Erinnerungen wecken. Sollte man deswegen der Nase auch in Corona-Zeiten einen Freiluftplatz bescheren?

Nase spielt beim Corona-Krankheitsverlauf eine Rolle

Gefährlich – denn die Nase spielt beim Corona-Krankheitsverlauf ebenfalls eine große Rolle: Laut Robert Koch-Institut sind Husten und Fieber zwar die Hauptsymptome. Jeder Fünfte nennt aber auch Schnupfen. 15 Prozent bemerken eine Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Anosmie, abgeleitet vom griechischen Wort für Geruch, bezeichnet das vollständige Fehlen oder den Verlust des Geruchssinns.

Wie wichtig der ist, aber auch wie spät er erst richtig entschlüsselt wurde, zeigt der Medizin-Nobelpreis im Jahr 2004: Er ging damals an die beiden US-Forscher Richard Axel und Linda Buck, die rund 1000 Gene beschrieben hatten, die bei Riechrezeptoren eine Rolle spielen. Später klärte das Duo dann noch deren Arbeitsweise auf.

Imposante Nasen

Dem französischen Schriftsteller Cyrano de Bergerac (1619-1655), selbst mit einem imposanten Exemplar ausgestattet, wird das Bonmot zugeschrieben: «Eine große Nase ist das Zeichen eines geistreichen, ritterlichen, liebenswürdigen, hochherzigen, freimütigen Mannes und eine kleine ist ein Zeichen des Gegenteils.» Also doch Eitelkeit?

Dem gegenüber steht, dass für das Miteinander, die Mimik, das Sich-ohne-Worte-Verstehen eher Augen und Mund relevant sind: Sie unterscheiden lachende von wütenden oder traurigen Gesichtern. Nicht ohne Grund kommen die gelben Emojis für Nachrichten via Smartphone in der Regel ohne Nase aus. Nicht mal ein Punkt ist da, wo früher sogar ein Komma hingehörte. Einzige Ausnahme: Das Lügen-Gesicht mit einer langen Nase wie bei Pinocchio. Dass ausgerechnet hier die Nase zu sehen ist, hat also einen ganz und gar nicht positiven Kontext.

München (dpa) von Marco Krefting, dpa

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