Über Paare mit großem Altersunterschied
Er 49, sie 28. Oder: Sie 54 und er gerade 24. Paare, die große Altersunterschiede trennen, leben mit Stempeln wie «Vaterkomplex» oder «Boytoy». Doch solche Beziehungen haben auch Vorteile.
Mehr als fünf Jahre sollten Paare nicht trennen – egal, in welche Richtung, findet Christine Backhaus, Psychologin und Beziehungscoach aus Frankfurt am Main. Denn sonst könne es passieren, dass der ältere oder jüngere Partner eine externe Krücke für etwas ist, was man von sich selbst aus nicht hat.
«Wenn der Mann beispielsweise älter ist, sieht die Frau vielleicht den abwesenden Vater von früher in ihm. Den, den sie in ihrer Kindheit nie richtig hatte.» Das sei gefährlich. Denn wenn die Beziehung irgendwann auseinandergeht, fällt einer der beiden in ein tiefes Loch.
«Vaterkomplex» nennt man eine solche Konstellation landläufig. «Aber wer von uns hat keinen Vaterkomplex?», fragt Wanja Kunstleben, psychologischer Paartherapeut aus Freiburg.
Partner aus unterschiedlichen Kulturen
Seiner Meinung nach sei die Beziehung der Eltern die wichtigste und erste Beziehungsebene, die wir kennen, «und wir haben immer einen Bezug dazu.» Dennoch stelle es auch eine Herausforderung dar, wenn einer der Partner aufgrund seines Alters bereits in einem anderen Lebensabschnitt angekommen ist als der andere. «Realistisch gesehen wuchsen beide Partner in unterschiedlichen Kulturen auf, was sich im Alltag durchaus zeigen kann und darf», sagt Dominik Borde, Beziehungscoach aus Wien.
Damit sollte sich das Paar dann auseinandersetzen und im besten Fall eine souveräne Haltung aufbauen, findet Kunstleben. Denn Anfeindungen oder Kritik kann es immer geben, wenn ein Paar aufgrund seines Alters auf den ersten Blick nicht zusammenpasst.
Bei Empörung schwingen unbewusste Ängste mit
Dass es darüber Empörungen geben könne, kann Borde aber auch nachvollziehen: Es sei zutiefst menschlich, sich zu empören, aufzuregen und alles, was nicht der Norm entspricht, den Vorstellungen mancher Traditionen entspringt, zu kommentieren und zu qualifizieren, so der Wiener. Da würden oft auch unbewusste Ängste mitschwingen, weil Andersartigkeit aneckt.
Das sieht auch Backhaus so: «Das, was ich mir selbst nicht erlaube, finde ich oft auch bei anderen nicht gut.» Natürlich könne bei dem Thema auch Neid im Spiel sein: Eine junge Frau nimmt sich einen gut situierten Mann mit viel Lebenserfahrung und Reife, der mit beiden Beinen fest im Leben steht. «Vielleicht hätte man das auch gern», so Backhaus. Oft fülle das Empören über andere auch eine innere Leere, die damit vom eigenen Leben oder den eigenen Problemen ablenkt.
Zudem sage das biologische Alter oft wenig über das tatsächliche Alter aus: «Daher ist ein großer biologischer Altersunterschied auch nicht per se ein Ausschlusskriterium für eine Beziehung, wie groß er auch sein mag.» Denn ein Partner, der nicht im selben Alter ist wie man selbst, bringt auch positive Dinge mit sich, weiß Kunstleben.
Wenn Jüngere die Älteren pushen
So könne der jüngere Part von der Reife des Älteren profitieren. «Während der Ältere seine Persönlichkeit mit einem jüngeren Partner vielleicht intensiver leben kann, positiv herausgefordert wird», erläutert der Paartherapeut. Gehe man richtig damit um, könne eine sehr fruchtbare Beziehung entstehen.
Doch dazu gehöre es natürlich auch, den Partner so anzunehmen, wie er ist – samt seiner oft anderen Lebenssituation als der eigenen, vielleicht bereits geschieden, wahrscheinlich mit Kindern. «Klar steht man woanders im Leben, hat unterschiedliche Lebensstandards und andere Fragen ans Leben», sagt Kunstleben. Er findet aber nicht, dass das ein Stolperstein sein muss.
Und: «Wer sich für einen Partner entschieden hat, der Kinder hat, hat sich zwangsläufig auch für seine Kinder entschieden», sagt Borde. Das bedeute jedoch nicht, dass er die Rolle des Elternteils übernehmen soll. Diese sei ja ohnehin bereits vergeben.
Aber die Rolle des mütterlichen oder väterlichen Freundes der Kinder könne man einnehmen. Und auch der Ex-Partner sei Teil des Systems, so Backhaus: «Er muss wertgeschätzt werden, er hat ja eine Rolle und hat dazu beigetragen, dass der andere so werden konnte, wie er ist.»
Frankfurt/Main (dpa/tmn) von Suria Reiche, dpa
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