Eine banale Frage: Ist die Digitalisierung gut oder böse? Darf man überhaupt so fragen?

12. November 2023

Einblicke und Ausblicke in die digitale Welt

WOMAN IN THE CITY  TRIFFT  KATERYNA ZAREV
Wir haben mit der  Digitalexpertin und Mutter von drei Kindern über Digital-Detoxing, ihren Alltag zwischen Smartphone & Familie und Digitale Strategien gesprochen.

Als Expertin für Learning & Development ist Kateryna Zarev bei Dataport in Kiel im Bereich der betrieblichen Qualifizierung und Weiterbildung tätig. Lernpsychologie, innovative Didaktik und digitales Lernen gehören zu ihren Steckenpferden.  Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Lernen und die Weiterbildung: „Mich treibt die Frage, wie wir heute Kompetenzen vermitteln können, von deren Existenz und Notwendigkeit wir erst morgen erfahren.“

Name: Kateryna Zarev

Beruf: Programm-Management Digital Education

Alter: 39 | Familie: 3 Kinder + Mann 

Hobbys: Lernen, Torten backen,
Volleyball, Reisen

Lieblingsorte: Eckernförde Deutschland,
Kyiv Ukraine, Afytos Griechenland

Kaffee oder Tee? Morgens Kaffee, abends Tee 

Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich, weil… es eine steigende Sensibilität für die ethischen, sozialen und Umweltauswirkungen der digitalen Transformation gibt. Wir Menschen erkennen zunehmend die Bedeutung von verantwortungsbewusster, stressfreier und gesunder Technologienutzung. 

Woman in the city:  Haben Sie schon mal ihr Handy verloren und sind in Panik ausgebrochen?

Katerina Zarev: Ich habe tatsächlich noch nie mein Smartphone verloren. Was ich aber regelmäßig in meiner Freizeit tue: ich lasse mein Smartphone absichtlich liegen und trage es nicht die ganze Zeit bei mir. Auch WhatsApp Nachrichten lese ich oft nicht direkt, sondern erst am nächsten Tag. Ich habe einen inneren Regler in mir und sorge automatisch für Digital Detoxing Phasen. 

Beruflich bin ich natürlich überwiegend digital unterwegs – da ist digitales Tieftauchen angesagt. Für so etwas wie Hopping durch verschiedene Konferenztools und Termine muss man ein gutes Durchhaltevermögen haben und auch ziemlich gelassen bleiben. Digitalisierung bringt viele Vorteile mit sich: So bin ich flexibel und erreichbar und es entsteht eine Art Work-Life Flow, so lässt sich auch mein Familienleben mit drei Kindern gut mit dem Beruf vereinbaren. 

Wir leben in der Ära des Infotainments und das nutze ich dank meines Smartphones voll aus. Ich liebe und lebe schnelles Informieren on demand, sowohl beruflich als auch privat. Ich konzentriere mich immer seltener auf Merken von Informationen, ich bin ein Fan von richtigen Such- und Speicherstrategien – so vermeide ich den täglichen Overload. Unmöglich ohne digitale Unterstützung.

Woman in the city: Sie beschäftigen sich u.a. auch in Workshops mit Digital Detox. Wie nötig sind solche Auszeiten und haben Sie es schon einmal selbst ausprobiert?

Das tue ich täglich, nicht zuletzt, weil ich meinen Kindern auch ein Beispiel sein möchte. In Zeiten von exzessiver Bildschirmnutzung und ständiger Online-Präsenz ist es wichtig, ein gesundes Gleichgewicht zwischen dem digitalen Leben und der realen Welt zu finden. Digitalisierung bietet viel Aufregendes – aber eben auch die Gefahr, in den Weiten der Online-Welten die Orientierung zu verlieren. Hinzu kommen natürlich die gesundheitlichen Folgen, wenn man übertreibt. Nicht zuletzt die Risiken, denen die Kinder ausgesetzt sind, wenn sie unbegrenzt spielen und surfen. Digital Detoxing ist wichtig, um eine gesunde Beziehung zur Technologie aufrechtzuerhalten, sich zu entspannen, sich zu erholen und die Verbindung zu sich selbst und anderen zu stärken.

Woman in the city: Was würden Sie als die drei Pro`s und Contras der Smartphone-Nutzung bezeichnen?

PRO:

Kommunikation und Vernetzung: Smartphones ermöglichen schnelle und effiziente Kommunikation, sei es über Anrufe, Textnachrichten oder soziale Medien. Sie helfen uns, in Kontakt zu bleiben, egal wie weit wir voneinander entfernt sind, und fördern somit die sozialen Verbindungen.

Zugang zu Informationen: Smartphones bieten Zugang zu einem schier endlosen Strom von Informationen. Mit dem Internetzugang können Nutzende jederzeit und überall nach Wissen suchen, sei es für schulische Projekte, berufliche Qualifizierung oder persönliches Interesse. Als Lernmedium bieten uns die modernen Smartphones den Zugang zum Wissen just in the moment of need, sei es ein Tortenrezept, ein DIY oder eine Videoanleitung zum Zusammenbauen von Möbeln. 

Multifunktionalität und Produktivität: Moderne Smartphones sind mehr als nur Telefone. Sie dienen als persönliche Organisatoren, ermöglichen den Zugriff auf E-Mails, unterstützen die Fotografie und Videografie, bieten Unterhaltung in Form von Spielen und Multimedia-Anwendungen und erhöhen somit die Effizienz und Produktivität im Alltag.

CONTRA:

Sucht und Ablenkung: Übermäßige Handynutzung kann zu Suchtverhalten führen. Menschen können süchtig nach ständiger Erreichbarkeit, Social Media oder Videospielen werden. Dies kann zu Ablenkung im Beruf, in der Schule und im sozialen Leben führen.

Gesundheitliche Auswirkungen: Es gibt Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von langfristiger
Handynutzung auf die physische und psychische Gesundheit. Dazu gehören Probleme wie Schlafstörungen aufgrund von Bildschirmlicht, Augenbelastung, Haltungsschäden durch übermäßiges Bücken über das Telefon und psychische Belastungen durch Cybermobbing oder ständige Verfügbarkeit.

Privatsphäre und Datenschutz: Die Nutzung von Smartphones und anderen digitalen Assistenten birgt Risiken für die Privatsphäre. Durch unsachgemäße Handhabung oder Cyberangriffe könnten persönliche Daten gestohlen oder missbraucht werden. Auch das Teilen von zu viel persönlichen Informationen in sozialen Medien kann die Privatsphäre gefährden.

Wichtig ist es, nicht zu vergessen, dass die Auswirkungen der Handynutzung von der Art und Weise abhängen, wie die Technologie verwendet wird. Ein bewusster und maßvoller Umgang, die Vermittlung von Kompetenzen zum Umgang mit Digitalisierung für alt und jung kann viele der genannten Nachteile mildern.

Woman in the city: Sie sind selber Mutter von drei Kindern – gibt es bei Ihnen Zuhause digitale Detox-Zeiten?

Unser Familienalltag ist ziemlich turbulent und  extrem durchgetaktet. Einerseits sind unsere Smartphones unsere best-Friends wenn es um Organisation und Planung von Terminen geht, andererseits genießen wir analoges quatschen beim Essen oder in der Freizeit. Wir leben direkt an der Ostsee – da ist digital Detoxing dank Strand und Wald einfach. Aber für schöne Fotos nutzen wir schon gerne unsere Smartphones.  

Woman in the city: Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir auch bei der weiteren Entwicklung im Bereich KI selbstbestimmt in unserem digitalen Nutzungsverhalten bleiben können oder werden? 

Als Trendbeobachterin im Bereich Learning & Development sehe ich eine verstärkte Integration von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in L&D-Programme, um personalisierte Lernerfahrungen zu schaffen. Auch der Einsatz von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) wird zunehmen, um immersive Lernumgebungen zu schaffen. Darüber hinaus wird die Betonung auf sozialen und emotionalen Fähigkeiten, auch als „Soft Skills“ bekannt, weiterhin wachsen, da sie in einer zunehmend digitalen Welt von entscheidender Bedeutung sind. Ich bin zuversichtlich, wenn wir das Kompetenzwachstum im Umgang mit der Digitalisierung wirksam und sinnvoll entwickeln. Und wenn wir uns bewusst zwischendurch eine „gesunde“ Distanzierung zum Digitalen gönnen, dann ist auch unsere Selbstbestimmung außer Gefahr. 

Woman in the city: Was sehen Sie als besondere Gefahr bei der digitalen Entwicklung – können wir noch das Gute vom Bösen, das Wahre vom Falschen unterscheiden in Zukunft? 

Um ehrlich zu sein, sehe ich keine besondere Gefahr. Digitale Entwicklung ist nur dank uns Menschen möglich. Das Gute und das Böse – das alles ist in unseren Händen und in unserer Verantwortung. Viel spannender finde ich die Frage, ob wir es schaffen, der Geschwindigkeit der Entwicklung mit unseren ethischen Überlegungen und Entscheidungen nachzukommen. 

Denn der ethische Gesichtspunkt spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Erarbeitung von digitalen Strategien in der heutigen Zeit. Wir stehen vor der Herausforderung, Technologien so zu gestalten und einzusetzen, dass sie nicht nur wirtschaftlichen und organisatorischen Nutzen bringen, sondern auch ethisch verantwortlich und nachhaltig sind. 

Insbesondere im Bereich des Digitalen Lernens und bei der Gestaltung von Learning Experience Plattformen begegnen uns täglich Themen wie Datenschutz und Datensicherheit, Vorurteilsfreie Nutzung von KI-Algorithmen, Cybersicherheit und Nachhaltigkeit bei der Nutzung von Technologien. Selbstbestimmung und Zustimmung sind auch *wichtige Aspekte – Lernende sollten die Kontrolle über ihre eigenen Daten und Lernfortschritte haben.

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