Produktdesignerin Sinja Möller erfindet das Schaukeln im Job & Zuhause neu – egal, ob mit und ohne VR-Brille.
,,Wenn wir hoch schaukeln, werden Endorphine ausgeschüttet."
Eine Schaukel verändert die Atmosphäre und Wahrnehmung eines Raumes und damit auch, wie dieser Raum genutzt wird. Sie kommuniziert gewisse Werte und Haltungen, vor allem, wenn sie untypischerweise im Innenraum hängt. Sinja Möller ist Produktdesignerin und hat das Schaukeln in jeder Hinsicht neu entdeckt. Inspirierend erzählt Sinja Möller im Interview von ihrer Passion – schaukeln mit und ohne VR-Brille.
Name Sinja Möller
Alter 33
Beruf Produktdesignerin
Familie ledig
Lebensmotto
Whatever you can imagine you can create.
Wunschlos glücklich?
Nein, durch meine starke Vorstellungskraft habe ich noch sehr viele Wünsche und Ziele. Sie sind mein Antrieb und meine Motivation. Außerdem gibt es ja leider auch Vieles auf der Welt, was nicht wünschenswert ist.
Wann hast du dich so ins Schaukeln verliebt, dass du selber Schaukeln produzieren wolltest?
Sinja Möller: Während meiner Zeit in Südspanien. Ich habe 2017 ein Jahr lang in Andalusien außerhalb der kleinen Stadt Tarifa gelebt – an der südlichsten Spitze Spaniens, wo Mittelmeer und Atlantik aufeinander treffen. Dort hatte ich eine Schaukel auf der Terrasse einer kleinen Finka mit Blick auf die hügelige Umgebung. Auf dieser Schaukel meinen ersten Kaffee zu genießen, war die schönste Morgenroutine, die ich je hatte. In der Nähe des Hauses, wo ich täglich mit den Hunden spazieren ging, hängte ich dann eine weitere Schaukel an einem Baum auf. Von dort aus hatte man einen fantastischen Ausblick übers Land, aufs Meer und bei klarer Sicht sogar bis rüber nach Marokko. Als diese Schaukel zu meinem Lieblingsplatz wurde und als mehr und mehr Leute auch aus der Stadt von der Schaukel hörten und sie aufsuchen wollten, wurde mir klar: Erwachsene schaukeln immer noch gerne. Wir brauchen mehr Schaukeln für Erwachsene! Mit Ausblick, aber vielleicht auch einfach zu Hause und überall da, wo wir Zeit verbringen, z.B. bei der Arbeit. Ich habe daraufhin dann damals eine Marktrecherche gemacht und musste feststellen, dass es ziemlich schwer war, hochwertige, schöne Schaukeln für Erwachsene zu finden.
Einige Design-Modelle gab es nur als Prototyp, nicht aber als kaufbares Produkt. Mir war klar, dass es Gründe dafür geben muss, aber das konnte mich nicht davon abhalten, meine Vision zu verfolgen. Also setzte ich mir in den Kopf, Schaukeln zu designen und anzubieten, auch wenn es dabei viele Herausforderungen gibt. Ich habe mich einfach in diese Nische und in das Schaukeln an sich verliebt, weil ich darin so unheimlich viel Potenzial sehe. Und ich bin absolut kein Fan davon, Ideen nicht umzusetzen, nur weil sie zu „aufwändig“ oder „schwierig“ sind. Ich mache solche Dinge dann gerne erst recht, weil man nur so etwas Außergewöhnliches erschaffen kann.
Was ist dein schönstes Schaukelerlebnis?
Die besagte Schaukel am Baum in Spanien. Das Gefühl beim ersten Schwung nach dem Aufhängen. Ich hatte damals Freunde eingeladen, mich bei der Aktion zu begleiten. Wir haben unsere selbstgebaute Leiter und die Schaukel, die ich nur aus einer alten Palette spontan zusammengezimmert hatte, den Hügel hinauf getragen. Als es geschafft war und die Schaukel hing, konnte jeder einmal „Probeschaukeln“. Dieses Erlebnis mit so vielen zu teilen, war wunderschön. Seit dem zog es mich andauernd dort hin, vor allem auch dann, wenn es mir emotional nicht gut ging, weil ich mich dort immer wieder frei und leicht fühlte.
Auch wenn die Schaukel bei Tarifa noch einige Male von mir und von anderen ersetzt wurde, gibt es sie heute leider nicht mehr.
Dafür habe ich jetzt eine Möglichkeit gefunden, mittels einer VR-Brille auf einer Schaukel virtuell an schönen Orten in der Natur schaukeln zu können. Das ersetzt dieses Erlebnis nicht komplett, ist aber eine tolle Möglichkeit, um ganz einfach zwischendurch von zu Hause oder vom Büro aus einen Kurzurlaubs-Moment zu erleben, der Stress abbauen und das Wohlbefinden fördern kann. Für mobilitätseingeschränkte Menschen wäre das sogar eine seltene Chance auf einen gefühlten Ortswechsel, der ihnen sonst verwehrt bleibt.
Warum ist schaukeln so schön?
Die Effekte des Schaukelns sind unheimlich vielfältig: Da sind zum einen die damit verbundenen Kindheitserinnerungen, die stark mit Unbeschwertheit, Freiheit, sorglosem Zeitvertreib und Leichtigkeit assoziiert werden. Zum anderen hat das Schaukeln auch eine positive Wirkung auf Körper und Psyche, die vor allem mit der Aktivierung des Gleichgewichtsorgans zu tun hat. Wenn wir sanft hin und her schwingen, gleicht dies einer Wiegebewegung, wie wir sie auch bei Babies zur
Beruhigung einsetzen. Diese Bewegung entspannt und gibt ein Gefühl von Geborgenheit. Wenn wir hoch Schaukeln und dadurch einen kurzen Moment des freien Falls am höchsten Punkt erzeugen, werden Endorphine ausgeschüttet. Diese bekannten Glückshormone strömen durch den Körper und bringen uns zum Lachen, was ebenfalls stress- und sogar schmerzlindernd wirken kann. Es gibt aber noch weitere Nebeneffekte des Schaukelns: Wir spielen mit unserer eigenen Schwerkraft, verbessern dabei unsere Balance sowie das Gefühl für unseren eigenen Körper, was uns Sicherheit gibt und im Alter sogar die Sturzgefahr verringern kann. Und auf sanfte Art hält uns das Schaukeln auch fit, denn wir brauchen dabei Körperspannung, setzen verschiedenste Muskeln von Kopf bis Fuß ein, um in Schwung zu kommen und öffnen unseren Brustkorb für eine freiere Atmung. Es ist eine perfekte Entspannungs- und Bewegungspause, die ich deshalb unbedingt auch wieder im Alltag von Erwachsenen integrieren und etablieren möchte.
Warum bist du Produktdesignerin geworden?
Produktdesignerin bin ich geworden, weil ich Materialien und Objekte, die wir nutzen, spannend und faszinierend finde. Und weil man im Produktdesign auch lernt, Probleme zu ergründen und innovative Lösungen zu finden.
Heutzutage gibt es natürlich eine starke Entwicklung hin zu digitalen Produkten, aber da mir die Bedeutung und der Wert von haptischem und physischem Erleben sehr bewusst ist, habe ich mit der Schaukel ein ganz wunderbares Gestaltungsobjekt gefunden, bei dem Material und Optik viele Möglichkeiten für Variationen geben, aber auch das gesamte Erlebnis des Schaukelns gestaltet werden kann. Aktuell habe ich erst zwei Schaukelmodelle (das Design-Modell „Finesse“ und das etwas robustere Modell „Rock Solid“, was ich bisher hauptsächlich beim VR-Schaukelerlebnis im Einsatz habe), aber mein Ziel ist eine vielfältige Auswahl an Schaukeln in unterschiedlichen Stilrichtungen, so dass für jeden Geschmack, Einsatzzweck und Einrichtungsstil etwas dabei ist. Auf den ersten Blick scheint eine Schaukel nur ein Brett mit Seilen zu sein. Aber sobald ich sie in neue Anwendungsbereiche und Umgebungen setze oder auch in neuen Szenarien denke, kann ich sie auch ganz anders denken und tolle Details und zusätzliche Funktionen entwerfen.
Wie und wo produziert ihr?
Die Produktion der Schaukeln ist lokal. Ich achte auf nachhaltige Forstwirtschaft bei der Beschaffung des Holzes. Bei Tropenholz, wie etwa Teak, recycle ich alte Möbel und das restliche Holz, wie etwa Esche und Eiche, stammt aus Deutschland und Europa. Die Seile kommen von einer deutschen Seilerei und werden in Kiel konfektioniert. Es gibt nur wenige Metallkomponenten, die nicht aus Deutschland kommen. Die ersten Schaukelbretter stelle ich aktuell noch komplett selbst her, danach wird die Fertigung von der Hoftischlerei in Kiel übernommen, mit der ich durch das „Kieler Zimmer“, ein Projekt und Kollektiv für lokale Einrichtung, zusammen gekommen bin. Wir präsentieren und verkaufen unsere Einrichtungsprodukte, die alle in Kiel erdacht und gemacht werden, ab Mitte November auch wieder in der Kundenhalle der Kieler Nachrichten am Asmus-Bremer-Platz und werden dort auch Veranstaltungen zum Thema nachhaltiges Wohnen anbieten. Da dürfen natürlich auch die Schaukeln nicht fehlen. Außerdem führt der Zusammenschluss im Kieler Zimmer auch dazu, dass wir als verschiedene Gewerke kooperieren und gemeinsam hier in Kiel auf lokale Produkte aufmerksam machen können.
Was braucht es, um einfach loszuschaukeln?
Lust auf‘s Schaukeln und einen geeigneten Ort für die Schaukel. Dieser bietet optimalerweise etwas Platz zum Schaukeln, eine tragende Konstruktion für die Aufhängung und eine Umgebung, in der man auch Lust hat, schaukelnd Zeit zu verbringen. Zur Aufhängung eignen sich tragende Decken, in denen man mittels geeigneter Dübel Schwerlasthaken anbringen kann, oder auch Holzbalken oder Metallträger, an denen man die Schaukel anhängen oder auch durch Haken fest installieren kann. Es gibt aber auch einen Metallrahmen, den man kurz- oder langfristig mit Spanngurten an einer Säule oder an einem Baumstamm befestigen kann, um daran zu schaukeln. Damit ich von solchen Raumbedingungen noch unabhängiger bin, habe ich gerade aber auch noch ein freistehendes Schaukelgestell entwickelt, welches einfach im Raum aufgebaut werden kann. Das braucht dann aber natürlich etwas mehr Platz. Wenn wir von Schaukeln im Außenbereich sprechen, kann man natürlich auch mal Glück haben, dass es einen Baum mit einem geeigneten, kräftigen Ast dafür gibt.
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