Tantra als Weg zur inneren Befreiung
Kann Tantra mir helfen? Diana Sans unterrichtet Yoga und bildet Yogalehrerinnen aus. Auf der Suche nach moderner Spiritualität und lebensbejahender Einstellung als Basis ihrer Kurse entdeckte sie die Philosophie des Tantra. Erschienen ist ihr Buch im Königsfurt Urania Verlag bei Kiel.
WITC: Was hat Sie eigentlich zum Yoga gebracht?
Diana Sans: Yoga ist mir 1999 durch Zufall während eines längeren Aufenthalts in Los Angeles begegnet. Die körperliche Praxis hat mich sehr angesprochen und fühlte sich sofort vertraut an, so als hätte ich etwas gefunden, das ich – ohne es zu wissen – seit langem gesucht hatte.
Sie beschäftigen sich mit verschiedenen Strömungen des Yoga und haben nun ein Buch zum Thema Tantra geschrieben – warum?
Die tantrische Weltsicht und Lebensphilosophie erscheint mir absolut zeitgemäß: Sie lässt sich überraschend mühelos auf unser Leben in einer westlichen Industriegesellschaft des 21. Jahrhunderts übertragen. Leider gibt es nur sehr wenig deutsche Literatur dazu. In den letzten Jahren habe ich auf meinen Workshops, Retreats und Trainings viel über die tantrischen Ideen gesprochen und wurde ständig von begeisterten Schülern gefragt, was man wohl dazu lesen könne. Nachdem ich nie eine richtig passende Empfehlung auf Lager hatte, beschloss ich schließlich, diese Lücke selbst zu füllen.
Tantra ist bei uns ja unter einer Form der Sexualität abgespeichert. Ist das so richtig?
Man muss unterscheiden zwischen der tantrischen Philosophie, die das indische Mittelalter geprägt hat, und dem sogenannten „Neo-Tantra“, das seit den 1970er Jahren in den USA und Europa stark verbreitet ist. Leider ist der Begriff Tantra hierzulande momentan noch weitgehend mit dem auf Sexualität fokussierten Neo-Tantra assoziiert. Im Tantra, wie es in meinem Buch beschrieben wird, geht es weder um sexuelle Befreiung noch um Lustgewinn, sondern um ein tiefes Verständnis für die größeren Zusammenhänge des Lebens.
Wie kann Tantra ein Weg zur inneren Freiheit sein? Und: Gilt dies nur für Frauen?
Tantra wirkt gleichermaßen befreiend auf Frauen und Männer. Es befreit uns – unabhängig von Geschlecht oder Herkunft – von einschränkenden Mustern und Tendenzen unseres Geistes und schenkt uns eine frische, offene Sicht auf die Dinge. Wir lernen, die Schönheit des Lebens zu sehen, egal wie die äußeren Umstände gerade sind. Wir haben eine Wahl: Wollen wir dem Leben in Offenheit und Neugier begegnen oder voller Angst und Vorurteile? Darin liegt unsere innere Freiheit.
Was hat aus Ihrer Sicht unsere Welt nötig? (Können wir so weitermachen wie bisher?)
Dass wir nicht einfach so weitermachen können, ist inzwischen den Meisten klar – das hoffe ich zumindest. Ich glaube, wir haben als Spezies auf diesem Planeten nur eine Chance, wenn wir einen radikalen Bewusstseinssprung machen und das grundlegende Gefühl wiedererlangen, dass wir ein Teil von allem sind. Ich habe neulich in einem Interview mit einem Wissenschaftler gelesen, dass das eigentliche Problem nicht der Klimawandel und die Zerstörung unserer Öko-Systeme sind, sondern Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit. Was wir dringend brauchen ist ein spiritueller Wandel, der Werte wie Mitgefühl, Gemeinschaft und Achtsamkeit in den Mittelpunkt rückt.
Sie sind zweifache Mutter – was ist Ihnen wichtig, den Kindern mit auf den Weg zu geben?
Eine der großen Herausforderung unserer Zeit ist der Umgang mit den digitalen Medien. Für die meisten Eltern – mich eingeschlossen – ist das ein ewiger Kampf. Ich versuche, meinen Kindern beizubringen, halbwegs präsent durch’s Leben zu gehen. Die Schönheit zu sehen, die sich überall erschließt, wenn man den Blick mal vom Smartphone hebt.
Wie bringen Sie Familie und Beruf gut unter einen Hut?
Ich habe das Glück, dass ich recht flexibel und selbstbestimmt arbeiten kann. Die Grenzen zwischen Familie, Job und Spiritualität sind in meinem Leben fließend, und das ist gut so. Ich unterrichte oft am Wochenende, dafür kann ich mir unter der Woche viele Freiräume nehmen, um für die Familie da zu sein. Ich bin gesegnet mit einem wunderbaren und sehr abwechslungsreichen Beruf, bei dem mir so viele interessante Menschen begegnen. Deshalb lasse ich, wann immer es möglich ist, meine Familie Anteil nehmen an meiner Arbeit.
Warum heißt Ihr Buch „Das große Ja zum Leben?“
Das „Große JA“ begleitet meine Arbeit nun schon seit Jahren. Viele meiner Workshops und Masterclasses heißen so. Meine Schüler atmen ein „Großes JA“, wenn sie zu mir in die Yogastunde kommen. Ich selbst atme ein stilles JA, wenn ich das Gefühl habe, dass mir mal wieder alles entgleitet. Ich glaube, es gibt keinen besseren Titel für ein Buch über Tantra, denn die Essenz dieser Philosophie ist eigentlich ganz simpel: Jedes Mal, wenn wir uns dem Leben verweigern, wenn wir NEIN zu dem sagen, was ist, entsteht Leid. Es ist dieses uneingeschränkte JA ZUM LEBEN, das uns Freiheit schenkt. Und Freude, selbst dann, wenn alles ganz anders kommt als wir es uns ausgemalt haben.//
STECKBRIEF:
Name: Diana Sans
Alter: 48
Beruf/Berufung: Yogalehrerin
Lebensmotto: Alles ist möglich!
Lieblingsbuch: „Narziß und Goldmund“ von Hermann Hesse
Lieblingsort: Die Serengeti in Tanzania
Lieblingsfilm: Jenseits von Afrika
Das muss ich unbedingt noch mal ausprobieren: ein Instrument spielen
Wenn es ein nächstes Leben gibt, dann wäre ich gerne: Musikerin
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