"Ich lebe meinen Traum!"
Agnieszka Hauzer ist Opernsängerin und wird in der neuen Saison die „Madame Butterfly“ in Kiel singen. Sie kann sich kein Leben ohne Bühne vorstellen. Denn ihr Herz ist voller Musik.
WITC: Was treibt Dich jeden Morgen an, in den Tag zu starten?
Agnieszka Hauzer: Ich bin neugierig darauf, was mir der Tag bringt, was ich Neues über mich selbst lernen kann und wen ich vielleicht neu kennenlerne. Ich bin immer offen für Veränderungen und kann mich gleichzeitig über ganz kleine Dinge freuen: welche Blumen blühen heute in meinem Garten, ist das Gemüse schon gewachsen usw. Natürlich gab es auch schon in meinem Leben schwierige Zeiten; dann bin ich für meine Tochter aufgestanden. Für die Kinder können wir wirklich alles überwinden!
WITC: Die Oper ist Dein Zuhause. Wann wusstest Du, dass es die Oper sein muss und sonst nichts?
Ich habe immer schon gesungen! Im Kindergarten habe ich an Gesangswettbewerben für ganz kleine Kinder teilgenommen und mit 2 Jahren einen Preis bekommen. Als Kind wollte ich eigentlich, so wie mein Opa, Geige spielen. Aber aus gesundheitlichen Gründen konnte ich leider keine Musikschule besuchen, da ich fast jeden Nachmittag zum Arzt musste. Irgendwann war es zu spät für ein Instrument. Im Gymnasium habe ich mich eigentlich für ein Mathe-Studium vorbereitet, aber gleichzeitig in zwei verschiedenen Chören gesungen. Irgendwann hat mir meine Klassenlehrerin eine Tasche voller CDs mit den besten Opern-Aufnahmen mitgebracht. Das waren noch die Zeiten, als man die CDs nur ganz schwer in Polen bekommen konnte, es gab kein Youtube oder Spotify … In diesem Moment habe ich mich eigentlich für Gesang entschieden.
Und als ich wusste, was ich wirklich will, begegnete ich auch ganz anderen Menschen, die mir auf meinem musikalischen Weg weiterhalfen.
WITC: Ende August wirst Du „Madame Butterlfy“ in Kiel singen – was macht diese Rolle für Dich aus?
Madama Butterfly ist eine von meinen Lieblingsopern. Die Musik berührt mich immer zutiefst und ich muss mich selber oft sehr beherrschen, um nicht auf der Bühne zu weinen. Es ist mir eine Ehre, diese wunderbare Rolle zu singen und zu spielen. Wie sich die Butterfly entfaltet – zuerst ein zartes schüchternes Mädchen, rein und hoffnungsvoll, dann eine erwachsene Frau und Mutter, die immer treu und stark bleibt, obwohl alle versuchen ihr zu sagen, dass es zwecklos ist, noch Hoffnung zu haben. Und am Ende wird ihr alles genommen: Hoffnung, Ehre und Kind. So ist auch die Rolle musikalisch aufgebaut: am Anfang lyrisch und zart, dramatischer im zweiten Akt, bis zum hochemotionalen Ende, als sie Selbstmord begeht. Für eine Sängerin, die gerne mit Emotionen arbeitet, ist es eine perfekte Oper! Und: Die Oper ist wie ein spannender Thriller. Für mich persönlich hat Puccini drei geniale Opern geschrieben: „Turandot“, „Tosca“ und „Butterfly“. In allen drei Opern ist Musik und Dramaturgie einfach überwältigend, es gibt keinen einzigen Takt, der nicht nötig wäre.
WITC: Du bist in Polen aufgewachsen und hast dort auch studiert. Ist Kiel jetzt Dein Zuhause?
Ich glaube, mir geht es da wie vielen anderen Ausländern. Mit einem Bein bin ich in Kiel und mit dem anderem in Warschau. Ich habe hier meine kleine Familie, meine Arbeit, Freunde, einfach meinen Alltag und trotzdem vermisse ich manchmal meine Heimat, meine Eltern, meine Sprache, die polnische Mentalität. Wenn ich allerdings in Polen bin, dann vermisse ich mein Zuhause in Deutschland.
Trotzdem fühle ich mich hier in Kiel sehr wohl. In meiner Familie sagt man: „eine Tischdecke und Blumen in der Vase und schon ist es ein Zuhause“. Am Ende atmen wir überall die gleiche Luft und haben Erde unter den Füßen: nur die „Tapeten“ sind unterschiedlich.
WITC: Welches war bisher Deine wichtigste Rolle?
Das ist nun wirklich eine sehr schwere Frage. Jede Rolle ist auf eine spezielle Art wichtig. Für jede Rolle gebe ich mein ganzes Herz und 100 % Engagement. Manche Rollen liegen mir besser, manche schlechter. Aber von jeder einzigen habe ich etwas gelernt – auch wenn es harte Lektionen waren. Welche aber war die wichtigste? Ich glaube eine der wichtigsten Rollen war Giselda in „I Lombardi alla prima crocciata“ von Verdi, die ich ganz am Anfang in Kiel gesungen habe. Ich glaube es gibt nichts Schwereres und Größeres zu singen, und insofern gab es eine gesunde Perspektive für jede andere Rolle, die später kam. Immer wenn ich eine neue Rolle bekomme, denke ich sofort: ja, das ist eine große und schwere Rolle, aber schwerer als Giselda wird das doch nicht! Und sofort fühle ich mich sicherer.
WITC: Was schätzt Du an Deinen Mitmenschen?
Ich schätze Ehrlichkeit, Selbstbewusstsein, Verantwortung für sich selbst, eigene Gefühle und Gedanken. Ich schätze die Menschen, die ihr eigenes Leben zuerst „pflegen“, bevor sie auf die Anderen schauen. Ich schätze Toleranz und Offenheit, aber auch das Eingestehen von eigenen „Verrücktheiten“. Und zuletzt schätze ich die Menschen, die flexibel und bereit sind, ihre Meinung auch mal zu ändern.
WITC: Kannst Du Dir ein Leben ohne Bühne vorstellen?
Nur sehr schwer. Wo sonst kann man sein Herz öffnen, wo sonst kann man Musik einatmen und ausatmen? Wo sonst kann man sein ganzes Inneres zeigen? Und wo sonst kann man das bekommen, was wir als Künstler auch brauchen: Applaus und Bestätigung dafür, dass das was wir machen, die Menschen in irgeneiner Weise berührt hat?
Wir Sänger:innen, wir singen ja nicht nur. Unsere Arbeit auf der Bühne und hinter der Bühne ist etwas mehr als nur die richtige Töne zu „produzieren“. Wir arbeiten mit dem ganzen Körper, mit dem Kopf und der Seele, wir überwinden uns selber, prüfen jeden Tag unsere Grenzen, suchen nach immer mehr in uns. Um eine Rolle zu zeigen, brauchen wir Monate der Arbeit: üben, suchen, nachdenken, ausprobieren und proben. Und dann gehen wir auf die Bühne und wenn die Vorstellung los geht, ist es immer wie eine Prüfung, ob alles was wir gemacht haben, richtig war. Zuletzt gibt es noch dieses „Etwas“, was nicht definierbar ist: diese Magie und Zauberei auf der Bühne, diese ganz besonderen Momente … Ja, es würde mir sehr fehlen.
WITC: Wenn Du Dich selbst beschreiben solltest, wer bist Du?
Ich bin eine sehr glückliche Frau, ich kann meinen Traum leben, ich berühre jeden Tag die unendliche Schönheit der Musik. Ich darf mit Menschen arbeiten, die sehr sensibel sind, die offene Herzen und die gleichen Werte im Leben haben und für die die Arbeit viel mehr bedeutet, als nur Geld zu verdienen. Ich darf immer wieder für ein paar Stunden eine ganz andere Person werden und ich darf die Herzen von anderen Menschen direkt berühren!
Ich bin eine Mutter, die von ihrem Kind jeden Tag die wichtigste Lektionen für das Leben lernt. Ich bin auch eine glückliche Ehefrau, die jeden Tag für die Liebe dankbar ist. Ich bin eine polnische Frau, die auf ihre Wurzeln, auf ihre Kultur und Tradition stolz ist. Und ich möchte jeden Tag die Welt ein bisschen besser machen. Ich bin ein Mensch auf der Suche nach sich selbst und nach dem Sinn des Lebens.
STECKBRIEF
KURZ GEFRAGT: Agnieszka Hauzer
01 | Welche berühmte Persönlichkeit würdest Du gerne treffen?
Dalai Lama, Meryl Streep, Michelle Obama
02 | Welches Buch hat Dich zuletzt zum Nachdenken gebracht?
„The Awakened Woman“ von Dr. Tererai Trent und „Eine Frau sein und nicht verrückt werden“ von der berühmten polnischen Psychologin Katarzyna Miller
03 | Kaffee oder Tee?
Kaffee!!! Am besten im Bett, von meinem Mann mit Liebe gemacht und gebracht 🙂
04 | Ohne was verlässt Du niemals Dein Haus?
Ohne Klamotten und Schuhe… Und im Ernst: ohne Schlüssel und etwas Make up.
05 | Auf was kannst Du auf keinen Fall verzichten?
Kaffee, frische Blumen auf dem Tisch, auf das Meer im Urlaub. Und: auf Selbstentwicklung und Freiheit.
06 | Was schätzt Du an Deiner besten Freundin besonders?
An meiner besten Freundin (die leider 1000 km von mir entfernt wohnt) schätzte ich, dass sie alles mit ihrem Herzen sieht, immer das Beste in den Menschen und in jeder Situation sucht. Sie kritisiert nie und verurteilt nie jemanden. Wir können die ganze Nacht lang tiefe Gespräche führen. Und am meisten liebe ich an ihr, dass ich nach jedem Gespräch mit ihr ein besseres Mensch bin!
07 | Stadt- oder Landmensch?
Je älter ich werde, desto mehr brauche ich Natur und Ruhe. Also: Landmensch. Früher war das anders. Da hat es mich eher in die Stadt gezogen.
08 | Deine Lieblingsplätze an der Kieler Förde?
Schrevenpark, das Tiergehege in Projensdorf und der Strand in Kalifornien!
09 | Welche Wünsche möchtest Du Dir unbedingt erfüllen?
Ich habe noch so viele Wünsche, dass ich mehrere Leben dafür bräuchte! Aber tatsächlich würde ich gerne ein paar Reisen machen: Ich möchte den Jacobsweg alleine mit dem Fahrrad befahren und ich möchte mit meiner Tochter unbedingt nach Japan fliegen.
10 | Was hast Du Dir zuletzt gekauft?
… ein paar schöne Pflanzen für den Garten. Ich kann ehrlich sagen: Ich bin Pflanzen-süchtig.
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