Politisches Statement: Wir können mehr sein!

24. November 2021
Aminata Tourè: „Solidarität ist keine Einbahnstraße, sie muss in beide Richtungen funktionieren.“ (Foto: Alina Schessler)

"Natürlich trage ich eine große Verantwortung."

Aminata Tourè ist Landtagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen und seit 2019 Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtages. Damit ist sie die erste afrodeutsche und jüngste Vizepräsidentin Deutschlands. Ein Slogan, mit dem man die 29-Jährige gerne in Interviews und Gesprächen einführt. Wir wollten wissen, wie groß die Verantwortung als Politikerin für sie ist und welche Visionen sie vorantreiben.

WOMAN IN THE CITY: Hat Dich das Politikerinnen-Dasein in den letzten Jahren verändert und wie erfüllend ist dieses Leben für Dich?

Aminata Touré:  So viel Verantwortung zu haben oder auch allein die Tatsache, so viel zu arbeiten und unterwegs zu sein, hat mich und meinen Alltag auf jeden Fall verändert. Mein Job als Politikerin macht mir jedoch sehr viel Spaß und ich empfinde es als große Ehre, die knapp 3 Mio. Schleswig-Holsteiner*innen im Parlament vertreten zu dürfen.

Wieviel Verantwortung liegt auf Deinen Schultern als Vertreterin der Generation Y?

Aminata Touré: Natürlich trage ich eine große Verantwortung. Aber ich bin nicht die einzige junge Politikerin und deshalb habe ich nicht den Eindruck, eine alleinige Verantwortung zu tragen.

Wie anstrengend ist es, das Bild einer jungen Schwarzen Vorzeigepolitikerin zu erfüllen?

Aminata Touré: Ich habe nicht den Eindruck das Bild einer jungen Schwarzen, mit großem S, Vorzeigepolitikerin erfüllen zu müssen.

Wie startest Du in den Tag?

Workout, Nachrichten hören, Mails checken.

Finnlands Premierministerin setzt ihre Partys im Parlamentsgebäude fort – bist du auch eine Partygängerin oder bleibt dafür keine Zeit?

Aminata Touré: Zum Glück schon! Als Politikerin habe ich zwar einen sehr hohen Workload, aber Zeit mit meinen Freund*innen und meiner Familie ist mir sehr wichtig und diese Zeit versuche ich mir, so gut wie möglich, auch zu nehmen. Und klar, hin und wieder feiern gehen gehört da dazu.

Welche Träume träumst du jeden Tag neu?

Aminata Touré: In meinem Buch „Wir können mehr sein“ habe ich auch lyrische Texte geschrieben. Einer heißt „Wir sind die nächsten Generationen“. Ich schreibe dort:

„In dem Moment, in dem sie dieses Land betreten,
beerdigen unsere Eltern ihre Träume.
Ihre Träume sind fortan unsere.
Und unsere ihre.

Zukunft und unser Leben im Jahr 2050 – hast Du klare Visionen?

Aminata Touré: In meiner Zukunftsvision haben wir uns zu einer Gesellschaft entwickelt, in der alle Menschen gleichberechtigt und frei von Diskriminierung leben und sich entfalten können. Wir haben Chancengleichheit erreicht. Und wir haben die Klimakrise gerade eben so noch abwenden können.

Dein Buch ist in diesem Jahr erschienen und heisst: „Wir können mehr sein. Die Macht der Vielfalt.“ Was genau bedeutet „Wir können mehr sein“?

Aminata Touré: Ich glaube, dass wir als Gesamtgesellschaft und auch als Politik mehr sein könnten, wenn wir endlich das Potenzial unserer vielfältigen Gesellschaft sehen würden. Unterschiedliche Lebensrealitäten und daraus entstehende Erfahrungen sind etwas Wertvolles. Würden diese in allen gesellschaftlichen und politischen Räumen vertreten sein, dann wären wir als Gesellschaft und Politik insgesamt weiter. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass es eben einen Unterschied macht, wer bei Entscheidungen mitmischt.

Schleswig-holstein – wie zuhause bist du hier?

Aminata Touré: Voll und ganz. Ich bin in Neumünster geboren und lebe in Kiel. Schleswig-Holstein ist mein Zuhause.

Was bedeutet für dich zu netzwerken?

Aminata Touré: Geben und nehmen, würde ich sagen. Netzwerken hat ja auch viel damit zu tun, dass man sich in entscheidenden Momenten Solidarität aus dem eigenen Netzwerk erhofft. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße, sie muss in beide Richtungen funktionieren.

Was schätzt du an Menschen am meisten?

Aminata Touré: Loyalität, Verlässlichkeit und Humor. Aber ich könnte hier jetzt auch noch 100 andere Eigenschaften nennen!

Blah, blah, blah – ein Kommentar, den nicht nur Greta Thunberg nutzt, um auszudrücken, was Politiker*innen Inhaltsvolles zu sagen haben. Wie umgehst Du diese Blah?

Aminata Touré: Indem ich auch in meiner Rolle als Politikerin eine Sprache benutze, die man versteht. Indem ich politische Inhalte erkläre und so versuche, Vertrauen in Politik und unser politisches System zu stärken. Das ist mir bei meiner Arbeit extrem wichtig.

Politischen Raum zu haben bedeutet für Dich?

Aminata Touré: Handlungsmacht zu haben und unsere Gesellschaft
mitzugestalten.

STECKBRIEF: 

Name: Aminata Touré
Beruf: Landtagsabgeordnete (Bündnis 90/Die Grünen) und Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtags
Familie: verheiratet, 3 Schwestern
Hobbys:  Musik hören, Lesen, Freund*innen & Familie treffen
Lieblingsorte:  am Meer
Lebensmotto: representation matters!
Vorbilder: ganz viele, vor allem die Vorreiterinnen der afrodeutschen feministischen Bewegung wie z.B. Tupoka Ogette, May Ayim, Katharina Oguntoye uvm. Bei uns Grünen in der Partei Menschen, wie Claudia Roth und Cem Özdemir.

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