Wieviel Platz für Bildung haben wir wirklich? Fragen an Julia Zdrenka, Sozialarbeiterin für Kinderperspektiven

5. Juli 2022
Warum arbeitest Du gerne in deinem Job? Julia Zdrenka: In meiner Rolle als Fachberaterin bei Pädiko e.V. habe ich die Möglichkeit, in unseren Einrichtungen die Qualität der frühkindlichen Bildung mitzugestalten.

„Einander zuhören, freundlich und zugewandt miteinander sprechen und authentisch Grenzen aufzeigen.“

EIn Gespräch mit Julia Zdrenka von Pädiko e.V. über Respekt,  Visionen, Fachkräftemangel & Ganztagsbetreuung.

Name: Julia Zdrenka
Beruf/Ausbildung: Fachberatung, Sozialarbeiterin / Fachkraft für Kinderperspektiven
Lebensmotto: Durchatmen und Lächeln – mein Leben ist wirklich schön!

WITC: Wofür steht Pädiko e.V.?

Julia Zdrenka: Als Träger ist es uns wichtig Individualität und Verschiedenartigkeit wertschätzend anzunehmen, sowie Selbsttätigkeit und Eigenständigkeit zu akzeptieren. Grundlage für all unser Handeln ist ein positives Menschenbild. Dabei ist es unsere Vision, gemeinsam mit Eltern einen Bildungsort zu schaffen in dem Kinder durch die Begegnung mit ihren eigenen Stärken, mit Kreativität und Nachhaltigkeit, die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft haben. Innovativ, kreativ und demokratisch würde dabei unsere Ausrichtung gut beschreiben.

Wieviel Respekt braucht es für eine gute Pädagogik?

Julia Zdrenka: Ein respektvoller Umgang, im Sinne einer „guten“ Kommunikation, sowohl innerhalb des Teams aber auch zwischen Fachkraft und Kind, ist meiner Meinung nach die Basis für eine gute Pädagogik. Einander zuhören, freundlich und zugewandt miteinander sprechen und authentisch Grenzen aufzeigen, wären dabei wesentliche Bausteine, die Teil einer respektvollen Kommunikation innerhalb einer Einrichtung sind. Zusätzlich sind die Fachkräfte mit ihren Handlungen und insbesondere mit ihrer Haltung Vorbilder für die Kinder in unseren Einrichtungen. Diverse Teams und Familien, Akzeptanz von verschiedenen Kulturen, eine offene und wertschätzende Haltung dem Menschen gegenüber müssen Voraussetzung sein um respektvoll miteinander umzugehen.
Gleichzeitig sollte der Begriff „Respekt“ immer wieder im Team und auch in der Selbstreflexion kritisch betrachtet und reflektiert werden: Wann wird Respekt ggf. auch zu Macht oder auch Machtmissbrauch und wie gelingt es einander, respektvoll aber keineswegs mit „Angst“ zu begegnen. Die Haltung und ständige Auseinandersetzung mit dieser Frage – auch durch kollegiale Beratung, Supervision oder Coaching – muss Teil des pädagogischen Alltags bleiben, um Respekt als Teil einer guten Pädagogik zu betrachten.

Was sind die größten Herausforderungen, um Kindern im Kindergartenalter bei der Betreuung gerecht zu werden?

Julia Zdrenka: Die derzeit größten Herausforderungen um Kindern im Kindergartenalter bei der Betreuung – und gerne würde ich auch den Bildungsbegriff ergänzen – gerecht zu werden, liegen aktuell insbesondere im Fachkräftemangel. Dieser wird deutlich durch unbesetzte Stellen und findet seine Ergänzung durch Ausfallzeiten von Personal auf Grund von hohen Krankenständen. Bedingt durch eine Ausbildung, die nicht finanziert wird und wenig andere (finanzielle) Benefits in der frühkindlichen Bildung, stellt das fehlende Personal in den Einrichtungen die größte Herausforderung dar. Gleichzeitig steigt der Anspruch der Fachkräfte und Leitungen, Kita und Krippe nicht nur als Betreuungsorte sondern Ort der Bildung zu gestalten, sowie die Erwartungen der Familien nach individueller und bedürfnisorientierter Begleitung ihrer Kinder.

Tut unsere Gesellschaft gut daran, das Ganztags-Betreuungsprinzip zu präferieren?

Julia Zdrenka: Grundsätzlich würde ich dies bejahen. Durch unsere gesellschaftlichen Strukturen und Erwartungen, muss es ein – gutes und qualitativ hochwertiges – ganztägiges Betreuungskonzept geben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat in Deutschland einen hohen Stellenwert und wird im Schwerpunkt durch externe Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten abgedeckt. Zukunftsorientierter und nachhaltiger wäre meiner Meinung nach die Frage in den Fokus zu rücken, wie es unserer Gesellschaft gelingen kann, diese Ganztagsbetreuung als wesentlichen Baustein in der Bildungsbiografie von Kindern zu verstehen und somit eine höhere Anerkennung in der Bildungspolitik zu erlangen. Ich denke, hier liegt der Schlüssel für bessere Rahmenbedingungen und somit eine Steigerung der Attraktivität des Berufbildes.

Welchen Stellenwert nimmt bei der Betreuung die Zusammenarbeit mit den Eltern ein?

Julia Zdrenka: Wenn ein Kind neu in einer unserer Einrichtungen aufgenommen wird, spreche ich gerne immer nicht nur von der Eingewöhnung des Kindes, sondern von der der Familie. Ich verstehe die Eltern als die Grundlage für eine gelungene Zusammenarbeit. Dies setzt gegenseitiges Vertrauen und Respekt voraus und wird deutlich in gemeinsamen Haltungen, die sich auch auf das Kind positiv auswirken: sieht es, dass die Fachkräfte seine Familie wertschätzen, wird es eher Selbstachtung entwickeln. Merkt es, dass seine Eltern die Fachkräfte respektieren, fördert dies den pädagogischen Bezug und die Lernmotivation. Ein wesentlicher Schritt hin in diese Zusammenarbeit ist die Öffnung und Transparenz der Einrichtung / Gruppen den Eltern gegenüber: durch Einladung zur Mitgestaltung, im Rahmen von Gesprächen, gemeinsame Feste und Veranstaltungen haben wir den Wunsch, die Einrichtung als einen gemeinsamen Bildungs- und Betreuungsort zu gestalten.

Was sehen Sie selbst kritisch an der heutigen Situation der Erzieherinnen?

Julia Zdrenka: Ich denke einen großen Teil habe ich bereits angesprochen. Einer meiner größten Wünsche – vielleicht auch eher Visionen – wäre ein Verständnis von Kindertageseinrichtungen als Bildungsorte auf Augenhöhe mit Schulen, ähnlich wie es in Nordeuropa gelebt wird. Eine vergütete Ausbildung ist dabei eine Grundvoraussetzung. Zusätzlich entscheidend sind dann die Möglichkeiten vor Ort – Weiterbildungsoptionen, Coaching/Supervision/Kollegiale Beratung und sicherlich auch die Möglichkeiten, sich innerhalb einer Einrichtung oder eines Trägers weiterzuentwickeln und aufzusteigen. Ausreichend Zeit für Fachberatung und Qualitätsentwicklung und die gemeinsame Zeit im Team (für Vorbereitung) bilden meiner Meinung nach einen entscheidenden Grundstein für gute Pädagogik vor Ort. Und nicht zuletzt, aber maßgeblich für die Attraktivität des Berufes, ist ein angemessener Fachkraft-Kind-Schlüssel, so dass Innovation, Kreativität, Spiel und sich gemeinsam bilden im Alltag umgesetzt werden können.

Sie haben einen großen Wunsch frei …

Julia Zdrenka: So viel Geld und andere Mittel zur Verfügung zu haben, um gemeinsam mit Kindern, Eltern und Fachkräften, ein Konzept für die perfekte Kita zu entwickeln und umzusetzen!

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