Soziales Netz gegen Einsamkeit
Wer sich am Anfang des Jahres noch in einem krisenfesten Job wähnte, hat inzwischen vielleicht eine betriebsbedingte Kündigung erlebt oder bangt in Kurzarbeit darum, den Arbeitsplatz behalten zu können.
Mit dem Wegfall des Jobs oder einer radikalen Verkürzung der Arbeitszeit bleibt viel Zeit für Gefühle wie Angst, Verunsicherung, Frust und Trauer. Wie können Betroffene mit dieser emotionalen Herausforderung umgehen?
Als Diplompsychologin und Jobcoach hat Sabine Hirth viel mit Menschen zu tun, die sich in einer Krise oder Phase der Neuorientierung finden. «Es hilft, erst einmal alle Gefühle willkommen zu heißen und da sein zu lassen», rät sie. Gleichzeitig sollte man den Gefühlen nicht die Kontrolle übergeben: «Ich habe dieses Gefühl, aber ich bin nicht dieses Gefühl.»
Soziales Netz gegen Einsamkeit
Vielen gibt ein sicheres soziales Netz aus Partnerschaft, Familie und Freunden Stabilität. Es hilft der Einsamkeit entgegenzuwirken und ersetzt soziale Anerkennung und Bestärkung, die bisher vor allem am Arbeitsplatz vermittelt wurde.
Doch gerade in engen privaten Beziehungen kann eine dauerhafte Vermischung der Rollen ungesund sein. Manchmal ist es hilfreicher, sich einer außenstehenden Person anzuvertrauen, die einen sachlicheren Blick auf die Lage zwischen Bangen und Hoffen, Bewerbungen und Absagen hat.
Rückbesinnung und Neuorientierung
Jüngeren Arbeitslosen, für die Corona die erste bewusst miterlebte Krise ist und die noch nicht fest in einem Beruf verankert sind, kann der Austausch mit Älteren helfen. Sie haben zum Beispiel durch die Wiedervereinigung oder die Bankenkrise ihre Arbeit bei Umstrukturierungen verloren.
Wer zeitlichen Abstand und mehr Lebenserfahrung hat, kann letztendlich die aktuelle Phase der Unsicherheit relativer sehen. «Oder man fragt sich: wie sehe ich diese Zeit selbst in zehn Jahren?», rät Hirth.
Die Phase der Arbeitslosigkeit nimmt man dann vielleicht als Phase der Rückbesinnung und Neuorientierung wahr, in der sich neue Wege ausloten lassen. Tobias Güldenring vom Jobcenter im Main-Kinzig-Kreis bei Frankfurt rät, Alternativen zu prüfen: Wo liegen Talente und Vorlieben, die im bisherigen Job nicht gebraucht wurden? Und kann man diese in einem anderen Beruf gut einbringen? Generell empfiehlt Güldenring Fortbildungsangebote zu nutzen, im Jobcenter oder anderswo.
Tagesrhythmus finden und zwischendurch entspannen
Während der Alltag bisher vor allem durch die Arbeitszeiten strukturiert wurde, fehlt nach dem Jobverlust ein fester Rhythmus. «Schaffen Sie sich einen wellenförmigen Tagesablauf, indem Sie mehrmals von aktiven zu passiven Phasen wechseln. Sie können nicht zehn Stunden am Tag von Angst getrieben Bewerbungen schreiben und sich zur Arbeit zwingen», betont Hirth.
Neben einer festen Anfangszeit für Arbeitsplatzrecherche sollte man auch den Feierabend festlegen um irgendwann auch loslassen zu können. Und zwischendurch kreative Pausen einlegen. Wann hatte man jemals Zeit, Gitarre zu lernen oder zu malen?
Auch Güldenring weiß, wie wichtig es ist, trotz fehlender Lohnarbeit feste Termine und eine sinnhafte Tätigkeit zu haben. Ein Alltag mit festen Strukturen hilft, der Eintönigkeit entgegenzuwirken.
Ein Alltag mit festen Strukturen motiviert
Wichtig ist auch, sich darüber klar zu werden, was man aus seinem Arbeitsalltag vermisst. Neben der festen Struktur kann das die Anerkennung durch Vorgesetzte sein oder der Plausch am Kaffeeautomaten. Einen Ersatz – regelmäßige Telefonate oder Erfolgserlebnisse beim kreativen Arbeiten – kann man in die neue Tagesstruktur einbinden.
Gleichzeitig sollte man sich in Ruhe zu überlegen, was man bei seiner bisherigen Arbeit gar nicht mochte und nicht vermisst. Vielleicht hilft auch das bei der Suche nach einem neuen Job.
Fürth (dpa/tmn)
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